Tausche Brautschuh gegen Flossen
über Christoph spreche.
»Was soll ich dir von ihm erzählen?«,
frage ich mit leichtem Unmut in der Stimme und schaue zurück auf das Wasser, über
dem ein Schwarm kreischender Möwen seine Runden dreht.
»Zum Beispiel, wie er aussieht,
wie er lebt und was ihn nach Teneriffa getrieben hat.« Er greift zu der Schachtel
auf dem Tisch und zündet sich eine weitere Zigarette an, pustet den Rauch langsam
aus. »Es muss doch eine Menge über ihn zu berichten geben, wenn er dich so beeindruckt
hat. Du bist nicht leicht zu beeindrucken.«
Ich zögere noch, doch gebe ihm schließlich
Antwort auf seine Fragen, beschreibe Christoph und erzähle von seiner Tauchschule.
Ich erwähne sogar ein paar Details aus seiner Vergangenheit in Deutschland.
»Und du glaubst ihm jedes Wort?«
Lukas’ Blick ist nichts als skeptisch. »Er kann dir doch sonst was erzählen.«
»Welchen Grund hätte er?«
»Keine Ahnung, ich kenne ihn ja
nicht.« Nachdenklich schüttelt er den Kopf. »Für mich klingt die Geschichte eben
ein bisschen unglaubwürdig, wie aus einem Film. Er könnte ebenso gut einer dieser
verrückten Verkäufer sein, die billige Uhren und Sonnenbrillen in ihren Trenchcoats
stecken haben und die Teile an Touristen verticken. Du weißt schon, wie in der Werbung.«
Er verkneift sich ein Lachen, öffnet den Reißverschluss seiner Jacke, hält sie mit
beiden Händen weit auf und ruft so laut, dass sich andere Gäste zu ihm umwenden:
»Sunglasses! Sexy sunglasses! Anyone need sexy sunglasses?« Noch immer feixend,
überlegt er weiter: »Vielleicht ist er ein Serienkiller?«
»Den gleichen Gedanken hatte ich
auch«, kichere ich, greife nach seiner Hand und verschränke meine Finger mit seinen.
Dann lege ich den Kopf zurück und blinzele in den grellblauen Himmel. »Lass uns
das Thema wechseln, okay?«
Wir schweigen. Ich schließe die
Augen. Ich will es nicht, aber ich denke an Christoph und stelle mir vor, wie er
just in diesem Moment in den Atlantik springt, um auf 40 Meter abzutauchen.
Am Nachmittag fahren wir von Binz aus ein paar Kilometer nach Norden
zur Stubbenkammer. Hinter dem Königstuhl wandern wir am Strand entlang, um zu einem
Leuchtturm zu gelangen, der in der Nähe liegen soll.
Vor uns in einiger Entfernung laufen
Leute, die den Leuchtturm wahrscheinlich ebenfalls suchen, und solche, die ihn scheinbar
schon gefunden haben, kommen uns entgegen.
Auch nach einer Stunde ist von einem
Leuchtturm weit und breit keine Spur. Lukas bekommt irgendwann schlechte Laune.
Nach einigen vergeblichen Versuchen, ihn aufzuheitern, gebe ich auf und stapfe wortlos
neben ihm durch den nassen Ufersand.
»Lass uns nach Hause fahren«, sagt
er nach einer weiteren Stunde ohne Leuchtturm.
»Du meinst nach Binz?«
»Nein, nach Hause.«
Abrupt bleibe ich stehen. Er läuft
weiter. »Wieso denn das auf einmal?«, rufe ich ihm nach.
»Du bist anders.«
Ich laufe weiter, schneller, um
ihn einzuholen. »Ich bin anders?«, japse ich entrüstet. »Sorry, aber ich verstehe
dich nicht. Wir sind hier, und es ist schön. Wieso willst du auf einmal nach Hause?«
»Es gibt Minuten, da scheinst du
so weit weg zu sein, dass ich mir wie Luft vorkomme. Und in diesen Minuten weiß
ich nicht, was wir hier überhaupt tun.«
Ich fühle mich ertappt und schuldig
für jeden Gedanken, mit dem ich seit unserer Ankunft auf Rügen bei Christoph verweilte.
»Du kannst nicht erwarten, dass
von einem Tag auf den anderen alles wieder ist, wie es war. Mir gefällt es selbst
nicht, aber so etwas braucht Zeit.« Indem ich Lukas am Arm packe, zwinge ich ihn,
stehen zu bleiben.
Widerwillig blickt er mich an. »Trotzdem
würde ich gern wissen, wo du in diesen Minuten bist und woran du dann denkst. Was
ist es? Soll ich dich in Ruhe lassen? Dich nicht anfassen? Dich nicht ansprechen?«
»Du sollst mich nicht in Ruhe lassen.
Du sollst mich anfassen. Du sollst tun, was du möchtest, und du machst alles richtig,
okay?« Ich gebe seinen Ärmel frei und schiebe meine Hände in die Jackentaschen.
»Willst du wissen, ob ich an ihn denke? Willst du einen Streit provozieren? Dann
lass dir gesagt sein, dass ich die ganze Zeit denke. Mal denke ich über uns nach,
mal über Nina oder Hannah oder Lilly, über meine Eltern, über meinen blöden Job
und was ich demnächst tun werde, um einen besseren zu finden. Ich denke über den
Sand zu meinen Füßen nach und über die Luft, die ich in meine Lungen sauge. Mal
denke ich nur an dich und mal auch an Christoph. Ich denke
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