Tausche Brautschuh gegen Flossen
Heute wird er meine Sicherung übernehmen.‹
Es wird die Frage gestellt, ob es
je brenzlige Situationen unter Wasser gab, Momente, in denen ein Hai zu einer Bedrohung
wurde.
›Haie fürchten den Menschen‹, erklärt
Christoph und geht ein paar Schritte zum Cockpit, um das Boot zu starten. ›Sie meiden
unsere Nähe, fliehen zumeist, wenn sie uns über den Weg schwimmen. Sie töten, um
sich zu ernähren oder zu verteidigen, aus keinem anderen Grund.‹ Um das Knattern
des Motors zu übertönen, hebt er die Stimme für ein letztes Statement. ›Wir schmecken
ihnen nicht, und solange wir sie in Ruhe lassen, haben sie keinen Grund, uns anzugreifen.‹
Am Spot angekommen, wechseln Christoph
und Lenny in den Tauchanzug, was meine Freundinnen – auch Lilly – endgültig verzückt.
Sie sprechen Englisch miteinander und überprüfen nebenbei den Druck ihrer Pressluftflaschen.
Wenig später sind beide unter Wasser und lassen sich absinken. Auf 30 Metern Tiefe
bleibt Lenny zurück und Christoph taucht allein weitere zehn Meter. Mit seiner Kamera
nimmt er auf, was um ihn herum geschieht, während er selbst von Lenny gefilmt wird.
Es herrscht reges Treiben. Größere
und kleine Fische schwimmen vorüber, Schwärme und einzelne Tiere. Auch zwei Delfine
geben sich die Ehre und reagieren neugierig auf den Taucher, drehen Kreise um ihn.
Die gesamte Zeit über hört man das Rauschen von Wasser wie aus einem fernen Wasserhahn,
das Gluckern von aufsteigenden Bläschen und Christophs Atem.
Natürlich kann sich Nina den Darth-Vader-Vergleich
nicht verkneifen und braucht sich nicht zu wundern, dass Hannah sie erneut mit einem
Kissen bewirft.
»Oh Gott,
da ist einer!«, keucht Lilly und hebt die Hände vor den Mund. »Spätestens jetzt
wäre ich zurück an der Oberfläche!«
»Mit geplatztem
Trommelfell«, informiere ich sie.
Die nun gesendeten
Bilder stammen hauptsächlich aus Lennys Kamera. Es ist nicht nur ein Hammerhai,
es sind fünf. Sie zeigen ähnliches Interesse wie die Delfine, nähernd sich Christoph
allerdings mit mehr Bedacht, umzingeln ihn einige Male und verschwinden bald wieder
im diesigen Blau.
Christoph taucht zu Lenny auf. So
mühelos wie andere Leute Fahrrad fahren, schwimmt er wie ein Fisch in sanften, wellenartigen
Bewegungen.
»Lena, wisch dir den Sabber ab!«,
kommt es von Lilly und die anderen beiden lachen.
In diesem Augenblick betreten Lukas
und Bastian das Zimmer.
»Hey, was guckt ihr denn da?«, fragt
mein Mann sofort begeistert und lässt sich auf einer Couchlehne nieder.
»Da waren gerade fünf Hammerhaie«,
setzt Nina ihn in Kenntnis und wird dafür von Lilly in die Seite geknufft.
»Cool«, gibt Lukas zurück. »Wo ist
das denn?«
»Ähm …«, machen Lilly und Nina zur
gleichen Zeit und schicken mir fragende Blicke.
»Keine Ahnung.« In aufkeimender
Panik tasten meine Hände nach dem Zauberding, das dem Spuk ein Ende bereitet. »Wir
wollten gerade umschalten. Wo ist die Fernbedienung?«
Lukas findet sie vor mir. Sie lag
auf dem Tisch. »Nun lass doch mal. Das ist interessant.«
Stimmt, pflichte ich ihm im Stillen
bei. Noch viel interessanter wird es, wenn die Taucher wieder auf dem Boot sind.
Die nächste Blende lässt nicht lange
auf sich warten. Christoph und Lenny erklimmen die Leiter, werfen ihre Flossen an
Deck und klettern aufs Boot. Christoph nimmt den Atemregler aus dem Mund, zieht
die Brille vom Kopf und setzt die Flasche ab. Wasser tropft aus seinen Haarspitzen
und er streicht sie zurück, sieht in die Kamera. Er lacht strahlend, in seinen Augen
blitzt es glücklich – warum auch immer, mein Herz verkrampft sich und mein Magen
fühlt sich an, als wäre er links herum. Am liebsten möchte ich weinen.
»Kann es sein, dass das auf Teneriffa
ist?«, fragt Lukas. Seine Stimme klingt angespannt.
Ich nicke.
»Ist er das?«
»Natürlich ist er das«, antwortet
Nina an meiner Stelle und steht auf. Sie schlingt die Arme um Bastian und gibt ihm
einen Kuss. »Sollen wir ein Taxi rufen oder kannst du noch fahren? Ich kann es nicht
mehr.«
Über Ninas Schulter mustert Bastian
Lukas und mich. »Schon okay«, sagt er. »Ich kann noch fahren, mein Caipi ist warm
geworden, während Lukas mich fünfmal besiegt hat.« Er wendet sich an Hannah und
Lilly. »Können wir euch mitnehmen?«
Ich bringe die vier zur Tür. Als
ich zurück ins Wohnzimmer komme, schaut Lukas noch immer die Dokumentation an, wenngleich
die Teneriffa-Episode zu Ende ist.
»Woher wusstest du, dass das heute
gesendet
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