Tausche Brautschuh gegen Flossen
die
Wassertropfen, die in seinen Haarspitzen in der Sonne gefunkelt haben.
Als alle von zehn an abwärts zählen,
fühle ich mich schwermütig. Ich will keinen von euch missen, denke ich bei einem
Blick in die Gesichter meiner Freunde. Bei eins bin ich bei Lukas. Er legt seinen
Arm um mich, zieht mich an sich, drückt mir einen Kuss auf die Stirn und küsst mich
auf den Mund, als alle in Jubel ausbrechen und sich, beseelt vom Alkohol und dem
schönen Abend, Glückwünsche zurufen.
»Frohes neues Jahr, mein Schatz!«,
raunt Lukas.
»Frohes neues Jahr«, antworte ich.
Dann schlinge ich meine Arme fester um ihn, lehne den Kopf gegen seine Schulter
und schließe die Augen.
Der Januar beschert uns Kälte bei nicht mehr erträglichen Minusgraden
und immer neuem Schnee. Als endlich produktiver Teil der arbeitenden Gesellschaft
gehöre ich nun zu denen, die jeden Morgen ihre Autoscheibe freikratzen müssen. Es
ist für einen guten Zweck, tröste ich mich, für einen sehr guten Zweck.
Meine Kollegen in der Agentur sprechen
über ihre Winterurlaube in Österreich, Frankreich und was weiß ich, wo noch Berge
sind. Diskussionen zwischen Snowboardern und Langläufern entfachen. Sollen sie nur
warten, bis der Sommer da ist, dann werde ich sie mit endlosen Ausführungen übers
Tauchen und Surfen beglücken!
An einem Donnerstagabend treffe
ich mich mit meinen Freundinnen in unserer Lieblingskneipe, dem ›Jazz‹. Mit zehn
Minuten Verspätung trudele ich ein, dennoch bin ich nicht die Letzte. Nina lässt
noch ein halbe Stunde länger auf sich warten.
»Bastian und ich fliegen in den
Urlaub«, erzählt sie vergnügt, kaum dass sie sitzt.
»Du Glückliche«, brummelt Hannah.
»Ich hab schon vergessen, wie man Urlaub buchstabiert.«
»Es war nicht leicht, Bastian zu
überzeugen. Anfangs hat er natürlich behauptet, keine Zeit zu haben, aber ich habe
mich durchgesetzt.«
»Meint ihr, das geht gut?«, fragt
Hannah zögerlich nach.
»Klar doch! Wenn Bastian und ich
allein sind, streiten wir kaum.«
»Also seid ihr bloß gesellschaftsuntauglich!«
Auf meine Feststellung hin senken Hannah und Lilly die Köpfe und schauen in ihre
Gläser, um ihr Schmunzeln zu verbergen. »Dann habt ihr hoffentlich eine Reise an
den Südpol gebucht.« Der Gedanke bringt mich zum Lachen: Nina und Bastian von Pinguinen
umringt auf einer Eisscholle.
»Nun hackt nicht wieder auf mir
herum!«, beschwert sich Nina, grinst aber dabei. »Ist ja schlimmer als im Hühnerstall!«
»Wohin soll die Reise denn gehen?
Fliegt ihr irgendwohin?«
»Du wirst es nicht glauben!«
»Nun sag schon!«
»Teneriffa.«
Die Entgleisung meiner Gesichtszüge
entgeht niemandem am Tisch.
Als Nina weiter vom unwiderstehlichen
Angebot im Reisebüro erzählt, erkundige ich mich, in welcher Region sich das gebuchte
Hotel befindet, in der Hoffnung, dass es im Norden liegt.
»Es ist in Playa de las Américas.
Da soll total viel los sein. Diskos, Bars und all so was«, plaudert Nina. »Keine
Ahnung, welche Region das ist. Wahrscheinlich in der Nähe dieses Loro Parque.«
»Nein«, grummele ich. »Der ist im
Norden.«
Nina betrachtet mich mit krausgezogener
Stirn. »Du bist doch nicht sauer?«
»Absolut nicht.«
»Natürlich bist du sauer. Ich dachte,
das Thema wäre abgehakt.«
»Ist es doch. Alles paletti.«
»Ich wäre sauer«, meint Hannah.
»Ich auch«, fügt Lilly hinzu.
Nina hat ihren Lieblingssündenbock
gefunden und fährt Lilly an: »Na klar! Gerade du! Die Frau mit der blütenweißen
Weste, die nie etwas falsch macht. Weißt du eigentlich, wie sehr du mir manchmal
auf den Wecker gehst?«
Ȇberleg dir lieber, was du sagst
und wie laut!«, entgegnet Lilly, die dem Angriff mit der altbewährten Arroganz begegnet.
»Du bist ohnehin schon Stadtgespräch!«
Hannah unterbricht die beiden, bevor
sich ihre Gereiztheit weiter zuspitzt. »Wo wir gerade bei tollen Neuigkeiten sind«,
sagt sie und erhebt ihr Glas. »Im Mai ziehe ich nach Berlin.«
Natürlich besitzen wir alle den
Anstand, mit ihr auf Berlin anzustoßen. Dennoch gibt uns die Nachricht den Rest
und löst die sowieso nicht mehr fröhliche Runde ungewöhnlich zeitig auf.
Die Nacht ist klirrend kalt und das Dunkel verschluckt meine Gedanken,
als ich schweigend neben Hannah hergehe. Schnee knirscht unter unseren Schuhen und
neuer fällt vom Himmel.
Was mich an Ninas Urlaubsziel am
meisten ärgert, ist, dass es mich überhaupt ärgert. Soll mir doch egal sein, wohin
Nina und Bastian verreisen! Und
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