Tausche Glückskeks gegen Weihnachtswunder (German Edition)
womit Mama nun loslegen würde. Oh, bitte, bitte nicht. Aber zu spät. Meine Mutter hob das Kinn und sah Michel genau in die Augen. »Hoffentlich machen Sie nicht der Landebahn des Flughafens Konkurrenz, so hell wie Ihre Außenbeleuchtung ist.« Bissiger hätte Mama es kaum sagen können.
Neben mir, hinter dem Schrank versteckt, schlug sich Sina entsetzt die Hand vor den Mund, trotzdem hörte ich ihren unterdrückten Aufschrei noch. Die Situation wurde immer schwieriger. Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht und hätte alles dafür gegeben, alleine nach Hause gefahren zu sein. Aber zu spät. Unsere Eltern waren nicht mehr zu stoppen.
Michel funkelte Mama wütend an. »Nun, bislang habe ich keine Anfragen vom Flughafen wegen Landeerlaubnissen bekommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.« Ob Sinas Vater ganz bewusst Mamas Worte von vorhin nachäffte?
Mama warf ihre Haare mit einer Handbewegung über die Schulter, dann sagte sie ihm ins Gesicht: »Das, was Ihre Weihnachtsbeleuchtung ist, ist eindeutig: Sie ist ein Stromfresser ohne Ende. Damit schaden Sie der Umwelt. Bei allem Respekt, aber das muss einfach mal gesagt werden.«
Michel blickte Mama von oben herab an: »Muss es das?«, fragte er spitz zurück. »Was passiert denn, wenn Sie es nicht sagen würden? Platzen Sie dann oder was ist dann zu befürchten?«
»Phh«, stieß Mama schnaufend hervor, dann holte sie Luft. So macht sie immer, wenn sie richtig wütend ist. »Da Sie auch eine Tochter haben, sollte Ihnen doch zumindest daran gelegen sein, dass Sina noch lebenswerte Bedingungen auf der Erde vorfindet, wenn sie mal erwachsen ist.«
McSniff stand ratlos zwischen Michel und Mama. Er stupste Michel an, doch der beachtete den Hund nicht. Stattdessen verzog Michel den Mund. »Ach, danke für den Hinweis. Aber Sie werden es nicht glauben, für manch einen mag durchaus Weihnachten das Leben lebenswert machen und Menschen Hoffnung geben. Denn die Adventszeit und Weihnachten bringen viel Licht in die dunkle Zeit.« Er hielt kurz inne, dann fügte er hinzu: »Aber so etwas kommt für Sie ja garantiert nicht infrage, oder?« Er blickte Mama herausfordernd an.
McSniff stupste Mamas Hand an. Aber sie beachtete ihn nicht. Mama schnappte hörbar nach Luft. Ihre Stimme bebte: »Na gut, ich sage es Ihnen sofort: Ja, wir feiern in unserer Familien kein Weihnachten im üblichen Sinne, aber das heißt noch lange nicht, dass ich meiner Tochter keine Hoffnung mitgeben wollte.« Ihre Hände zitterten, als sie den Kragen ihres Mantels hochklappte. »Grete, kommst du bitte, wir müssen gehen!«, rief sie dann in den Flur hinein. Auch ihre Stimme zitterte.
Michel sah meine Mutter verwundert an. Mit so einer heftigen Reaktion von ihr hatte er wohl nicht gerechnet. Ich auch nicht. Enttäuscht trat ich hinter dem Garderobenschrank hervor und fühlte mich wie ein Kind, dessen neues Spielzeug gleich nach dem Auspacken unter dem Tannenbaum kaputt gegangen ist. Todtraurig!
Aber Sina ließ sich so schnell nicht unterkriegen. Strahlend trat sie in den Flur und rief: »Antje, hallo. D u musst unbedingt unsere Vanillekipferl probieren, die haben Grete und ich eben erst gebacken.« Während ich meine Schuhe und meine Winterjacke benommen anzog, lief sie in die Küche und kam mit der Keksdose zurück.
»Probier mal!« Sie hielt Mama die gut gefüllte Keksdose hin, aus der es herrlich nach Vanille duftete. Ob die Vanillekipferl die Situation noch retten könnten?
»Genau, Mama, die haben wir ganz alleine gemacht«, fügte ich rasch hinzu.
»Oh.« Meine Mutter zögerte. So, als ob sie überlegte, ob sie nach dem Streit im feindlichen Haus einen Keks nehmen dürfe. Oder ob sie es besser lassen und uns enttäuschen würde.
»Sie sind wirklich sehr gut«, fügte Michel hinzu, ganz ernsthaft und irgendwie auch betroffen von dem Streit. McSniff setzte sich vor Mama hin und machte Männchen. Er sah allerliebst aus, wie ein großer Teddybär.
»Nein«, sagte Mama zu dem Hund, »das ist nichts für dich, aber …« Sie beugte sich zu Sina vor. »Ich muss unbedingt einen von euren selbst gebackenen Vanillekipferln probieren.« Sie nahm einen aus der Dose, steckte ihn in den Mund, kaute und sagte lobend: »Hmm, die machen süchtig, so gut sind sie.« Vielleicht, so hoffte ich plötzlich aus ganzem Herzen, würde es nun doch noch zwischen Michel und meiner Mutter funken, wenn die Vanille ihre Wirkung zeigte. McSniff machte immer noch Männchen. Aber Mama blieb hart. Kein Zucker
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