Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
die viele Tränen vergossen, als sie die Begebenheit vernahmen. ›Allah sei Lob,‹ sagte sie, ›der dich von der Blutstätte gerettet hat, während wir in den Armen des Schlafes lagen! Aber was sollen wir länger hier tun? Laß uns all diese Geschenke verkaufen und morgen mit der Karawane nach Damaskus abreisen.‹ Der Vorschlag aber war vernünftig, und wir reisten folgenden Morgens ab.
Als wir in Damaskus angekommen waren, schlugen wir wie alle Armen, die keine Wohnung zu bezahlen imstande sind, unser Lager in der Vorhalle einer Moschee auf. Meine Mutter und Schwester weinten. Ich tröstete sie damit, daß wir ja noch nicht alles uns bestimmte Glück genossen und also noch manches Glück zu erwarten haben dürften. Ein Greis und zwei junge Leute, die eben mit ihrem Gebet fertig geworden waren, betrachteten uns mit teilnehmender Miene und fragten uns, wer und woher wir seien. Ich erzählte ihnen ohne Hehl alles, was mir begegnet war. Darob verwunderten sie sich sehr und verließen uns, kamen aber bald darauf wieder, um uns zu sich zu laden. Wir wurden in einen großen Palast mit fünfzehn Pforten aus Elfenbein, die in goldenen Angeln rollten, geführt.
Oberhalb des großen Einganges aber stand mit goldenen Buchstaben geschrieben:
Gastfreundlich Haus! Es soll dir des Raums allein – Zu wenig für die Gäste sein!
Ein herrlicher Garten umgab den Palast; der Greis saß auf einem Sitze zwischen Palmen und Feigenbäumen und befahl seinen Sklaven, uns sogleich ins Bad zu führen. Das Bad war im Hause. Man gab mir seidene, mit den köstlichsten Wohlgerüchen durchduftete Gewänder. Der Greis und seine beiden Söhne baten mich, ihnen noch einmal meine Begebenheiten zu erzählen, was ich gerne tat, und zu ihrer abermaligen großen Verwunderung. Man trug alsdann das Mahl auf, welches das des Kalifen an Verschwendung übertraf.
Nachdem wir die Hände gewaschen hatten, begaben wir uns in einen großen Saal, wo goldene und silberne Trinkgeschirre auf Schenktischen zur Schau standen. Sie waren mit Rosen- und Moschus- und Tamarinden-Scherbetts gefüllt. Andere Gefäße wieder waren gefüllt mit Datteln, die in Zucker eingemacht, und mit vielen Arten von Halwa oder Zuckerwerk. Mir fehlte nichts zur vollkommenen Zufriedenheit als meine Mutter und meine Schwester. Wie groß war meine Freude, als ich sie um Mitternacht, wo ich mich zurückzog, in meinem Zimmer fand. Sie waren in Goldstoff gekleidet und weinten, aber diesmal vor Freude, und erzählten mir, daß bald, nachdem ich fortgegangen, zehn Sklavinnen sie abgeholt, ins Bad geführt und dann wie mich bewirtet hätten. In der Frühe machte ich dem Alten meine Aufwartung; und dieses Leben lebte ich zehn Tage lang. Am elften fragte mich mein Gastgeber zum dritten Male nach meiner Geschichte; und als ich vollendet hatte, sprach er: ›Sei guten Mutes, o mein Sohn, wenn Allah etwas will, so erleichtert er die Wege dazu. Künftighin bleibst du bei mir, betrachte dies Haus als dein eigenes, mich als deinen Vater, meine Söhne als deine Brüder. Gib einem von ihnen deine Schwester zur Frau, und ich werde dir meine Tochter geben!‹ ›Ich bin zu allem bereit‹, war meine Antwort.
Nach einer Weile hielten ein Maulesel und vier Pferde im Hofe still. Es waren ein Kasi und vier Zeugen zur Abfassung der Eheverträge. Die wurden nun aufgesetzt und unterschrieben und die zweifache Hochzeit drei Tage hernach vollzogen. So lebte ich fünf Monate lang in Damaskus. Als ich eines Tages eben durch die Stadt spazieren ging, bemerkte ich eine außerordentliche Bewegung und Tätigkeit auf den Straßen. Ich erkundigte mich nach der Ursache und hörte, Jahja, der Sohn Khalids, der Vater Dscha'afars, des Barmekiden, sei nach Damaskus gekommen. ›Weh mir!‹ dachte ich, ›er ist gewiß gekommen, um mich wegen der Sklavin hinrichten zu lassen.‹
Ich fragte überall nach der Ursache seiner Ankunft und vernahm, er sei der Luftveränderung wegen gekommen, die ihm von den Ärzten angeraten sei; er hätte seine Zelte vor der Stadt aufgeschlagen, und alles hätte sich hinbegeben, um ihm aufzuwarten und an den gewöhnlichen Proben seiner weitberühmten Freigebigkeit teilzunehmen.
Ich verfügte mich in mein Haus und erzählte den Frauen meines Harems, was ich soeben gehört hatte, und machte ihnen den Vorschlag, auszugehen, um Jahja, den Barmekiden, kennenzulernen. Sie begleiteten mich, und als wir ins Zelt traten, fand ich dort meinen Schwiegervater mit seinen Söhnen, die dort ihre Aufwartung
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