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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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machten. ›Wer bist du, o mein Sohn?‹ fragte Jahja. ›Ich bin‹, antwortete ich, ›ein armer Fremdling und bin der Mann aus Bassorah, der deinem Sohne nicht unbekannt ist.‹ Bei diesen Worten stieß Jahja einen großen Schrei aus. ›Allah sei gelobt!‹ rief er, ›der uns die Gelegenheit an die Hand gibt, das dir zugefügte Unrecht wieder gutzumachen. Deine Sklavin ist mit einem Sohne von dir entbunden worden, den der meinige aufzieht und mit Geschenken überhäuft!‹ Diese Nachricht machte das Maß meiner Freude voll. Jahja blieb vierzig Tage in Damaskus. Am einundvierzigsten zog ich mit ihm nach Bagdad. Die Großen der Stadt aber kamen uns entgegen, und wir stiegen in Jahjas Palaste ab.
    Abends begaben wir uns alle nach dem Palaste des Wesirs Dscha'afar. Der fragte seinen Vater, wer ich sei. ›Ein Mensch,‹ antwortete er, ›der sich über dich zu beklagen hat und am Tage des Gerichts von dir Kechenschaft fordern wird.‹ ›Allah sei mein Zeuge,‹ sprach der Wesir, ›daß ich mein Lebtag gegen niemand wissentlieh unrecht getan, als gegen den Mann von Bassorah, dem ich seine Sklavin weggenommen habe.‹ ›Nun, das ist derselbe!‹ Dscha'afar tat einen lauten Schrei, nahte sich mir alsdann und sprach: ›Deine Sklavin, die von dir schwanger war, als sie zu mir kam, ist unberührt geblieben, du sollst sie sogleich mit ihrem Kinde sehen!‹
    Man führte mich in einen abgesonderten Flügel des Palastes, wo ich meine Sklavin, von zirkassischen und nubischen Mädchen umgeben, fand, die das Kind besorgten. Sie selbst, von Edelsteinen strahlend, saß auf einer Art von Thron. Sie flog in meine Arme und bestätigte die Wahrheit der Worte Dscha'afars und erzählte mir tausend Züge der größten Freigebigkeit und Großmut, womit er sie behandelt hatte. Der Wesir selbst überhäufte mich an diesem Tage mit Geschenken an Gewändern und Pferden und Sklaven von zehntausend Dinaren Wert. Desgleichen überhäufte er mit Geschenken meinen Schwiegervater und seine Söhne und erlaubte uns nicht, Bagdad zu verlassen. Er ließ mir Rechnung ablegen über die Verwaltung meiner Güter in Bassorah, über die er seit dem Tage, wo ich unsichtbar geworden war, einen eigenen Verwalter gesetzt hatte; und seit jenem Tage bis zu seinem Tode habe ich seiner innigsten Freundschaft genossen!
    Glaubst du wohl, o Fürst der Rechtgläubigen, noch länger, daß dein Verbot mir Furcht einflößen und die Stimme der Dankbarkeit in meinem Herzen ersticken kann?«
    Der Kalif war gerührt und blieb lange Zeit in tiefes Nachdenken versunken, die Reue über Dscha'afars Hinrichtung aber fiel schwer auf sein Herz.
    Er befahl, dem Greis ein Ehrengewand zu geben und zehntausend Dinare auszuzahlen. »Nicht wahr, o Fürst der Rechtgläubigen, wenn ich dir diese Geschichte nicht erzählt hätte, würdest du mir das Lob von Dscha'afars Freigebigkeit nach seinem Tode nicht verziehen haben? Und siehe, das Geschenk selbst, das ich von dir erhalte, ist nichts als eine Wirkung der Freigebigkeit Dscha'afars, weil ich es sicherlich ohne die Erzählung seiner schönen Tat nicht erhalten hätte.« Der Kalif weinte und ließ den Leib Dscha'afars begraben. Sein Grab wurde nicht weniger besucht als sein Palast, da er noch lebte.
    ~ ~ ~
    Einige Zeit nach der Hinrichtung des Barmekiden und dem Erlöschen seiner Familie befand sich Asmai, der Lieblingsdichter Harun al-Raschids, mit ihm auf einem Jagdausflug. Sie kamen bei einem halbverfallenen Palaste vorbei, der den Barmekiden zugehört hatte, an dem sich diese Inschrift befand:
    Freundliches Haus! es spielet die Welt mit ihren Bewohnern;
Sind sie einmal verstreut, werden sie nimmer vereint.
Die, so Gutes getan, sind längst zu den Vätern versammelt,
Und es lebt nur noch, wer nichts nützet der Welt.
    Den Kalifen rührte der Sinn der Inschrift, und er befahl seinem Begleiter Asmai, ihm einige Züge von der Freigebigkeit des Barmekiden zu erzählen. »Ich horche und gehorche auf Kopf und Augen, das ist so viel, als von ganzem Herzen gerne«, antwortete Asmai. »Zuerst will ich dir, o Fürst der Rechtgläubigen, einen Zug erzählen, mit dem mich Ali ibn Saher bekannt gemacht hat. Ich will ihn selbst reden lassen und mich seiner Worte bedienen.
    ›Da ich‹, sprach er, ›in Bagdad ein sehr lustiges Leben auf sehr großem Fuße führte, so hatte ich in wenig Jahren für fünfzigtausend Dinare Schulden gemacht. Unvermögend, dieselben zu bezahlen, sollte ich von meinen Gläubigern im Tigris ertränkt werden, nach dem

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