Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
deren Hand ist, hat uns in diese Gegenden geschickt, damit wir ihn ihm zurückbringen, wenn wir erst dieses Reich von dem großen Schaden befreit haben, dem ihm beständig die Hand, die jeden Tag auf dem Meere erscheint, zufügt!« Darüber, sagten die Wesire, sei die Königin sehr zufrieden, und wenn das Land von dem Unheil der Hand befreit wäre, sollte ihnen unverzüglich der Spiegel ausgeliefert werden. Und sie schieden von den Jünglingen, die sie aufforderten, andern Tags zeitig wiederzukommen, weil sie mit ihnen zum Meergestade zu gehen wünschten, wo sie sich so lange bemühen wollten, bis die Hand nicht mehr zu sehen wäre und dem ganzen Lande keinen Schaden mehr tun könnte.
Als sich diese Nachricht in der Stadt verbreitete, erregte sie bei jedem unglaubliche Freude und Bewunderung; und da man wußte, daß am folgenden Morgen die Jünglinge zum Meere wandern wollten, begab sich eine unzählige Menschenmenge nachts vor die Stadt nach dem Platze, wo sie sich einfinden mußten. Am Morgen kamen die Wesire in Begleitung des ganzen Hofes zum Palaste der Jünglinge, die mit ihnen zusammen aufbrachen; und bei Sonnenaufgang am Strande angelangt, sahen sie die geöffnete rechte Hand aus dem Meere erscheinen. Da stellte sich nun der älteste der Brüder ihr sogleich gegenüber und hob seine Hand, den zweiten und dritten Finger aufrecht haltend, die drei übrigen aber hielt er geschlossen nach unten. Als er das getanhatte, tauchte die Hand, die so großen Schaden angerichtet hatte, unverzüglich ins Meer und wurde niemals wieder von irgendwem gesehen. Das Volk, das sich zu dem gegenwärtigen Schauspiele eingefunden hatte, brach, als es dies sah, in große Verwunderung aus; und die Königin wurde sehr schnell von diesem Ereignisse benachrichtigt. Sie war hoch erfreut und über die Maßen zufrieden und hieß die Jünglinge, die noch am Meeresstrande verweilten, mit großer Feierlichkeit und Ehrerbietung am Stadttore mit dem Befehle empfangen, daß sie, ehe man sie in den ihnen angewiesenen Palast führe, vor ihrem Angesichte erscheinen sollten. Man kam nun ihrem Geheiß nach und führte alsbald die Jünglinge nach ihrer Rückkehr in die Stadt in den königlichen Palast vor die Königin; die empfing sie mit großer Ehre und Feierlichkeit und bat sie, sie möchten ihr das große Geheimnis, mit dem sie ein so hohes Wunder bewirkt hätten, offenbaren. Der Jüngling, der die Hand auf dem Meer verjagt hatte, wollte der Königin Bitte erfüllen und entfernte sich so weit mit ihr von dem Volke, das anwesend war, daß es seine Worte nicht zu hören vermochte. »Wisse denn, o Königin,« sagte er zu ihr, »sobald ich heute morgen die offene Hand über dem Meere erblickte, habe ich gedacht, daß sie nichts anderes sagen wollte, als: ›Wenn fünf Menschen mit einem Willen gefunden werden könnten, möchten sie wohl die ganze Welt unter ihre Gewalt bringen‹; weil die Hand aber verstanden sein wollte und sich niemand bisher fand, der dies zu lösen vermochte, hat sie beständig deinem Volke so schweren Schaden und Unbill zugefügt. Ich nun, der ich mit Allahs Hilfe das erriet, fand mich am Strande ein, und ihr gegenüber die Hand hochreckend, hielt ich den zweiten und dritten Finger nach oben, die andern aber geschlossenund nach unten: da tauchte sie nun aus Scham ins Meer unter und wird nicht wieder erscheinen; denn da sie anzeigen wollte, daß sich fünf Menschen mit einem Wollen zu Herren der ganzen Welt aufschwingen könnten, bewies ich ihr, daß sie sich täuschte, und daß nicht fünf, sondern zwei, die mit gleichem Willen gefunden würden, solches und noch Größeres zuwege bringen könnten!« Als sie diese Worte hörte, erstaunte die Königin sehr und schloß daraus, die Jünglinge müßten mit edlem und hohem Verstande begabt sein. Die aber nahmen Urlaub und kehrten, von den Großen des Landes begleitet, in ihren Palast zurück.
Hiernach versammelten sich die Wesire um die Königin. Als sie über die Rückgabe des Spiegels an Behram-Gur wegen der empfangenen Wohltat berateten, sagte der älteste von ihnen: »Unzweifelhaft haben die Jünglinge, soviel man bis zu dieser Stunde sehen kann, das Land von einem schweren Unheil befreit, doch was sichert uns davor, daß schließlich nicht zu irgendeiner Zeit die Hand wiederkommt und uns abermals in den ersten Jammer zurückversetzt? Daher scheint es mir gut, daß wir dies, ehe der Spiegel zurückgegeben wird, reiflich erwägen müssen!« Die Königin erwiderte: »Wir können und
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