Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
berührte; und ich wollte die Erde betrachten, doch wie groß war mein Erstaunen, als mir das Weltall, das vorher so unermeßlich für mich gewesen war, gegenwärtig wie ein Punkt erschien. Da bereute ich meine Verwegenheit, aber es war zu spät. Von wem konnte ich Hilfe inmitten der Lüfte erhalten? Und ich gab mich der Verzweiflung hin, verhüllte mein Haupt und sagte zum Glück: ›Schlage mich, grausames, ich bin bereit, deine Schläge zu empfangen!‹
Und ich war in dieser schrecklichen Lage, als der Korb an einem Orte des Entzückens anhielt und sich mitten in einem Garten niederließ, der an Schönheit die Sonne selbst übertraf. Schnell verließ ich das Gefährt, das mir soviel Unruhe verursacht hatte; alsbald erhob es sich in die Lüfte, und ich verlor es aus den Augen. Du kannst dir denken, daß sich meine Unruhe bald in Freude verwandelte, als ich mich an einem Orte befand, dessen Erdboden mit tausend verschiedenen Blumen geschmückt war, deren Durcheinander den Augen ein angenehmes Bild bot, während den Geruchssinn die köstlichsten Wohlgerüche erfreuten. Ich schickte tausend Dankgebete zu Allah auf, der mich so glücklich in dieses herrliche Paradies gebracht hatte. Als ich dann diesen Garten durchschritten hatte, fand ich noch einen zweiten, der nur von Rosen bestanden war. Tausend Vögel bezeigten durch ihre Gesänge die Freude, die sie fühlten, hier zu wohnen. Man sah inmitten dieses zweiten Gartens ein Wasserbecken, dessen Gewässer klarer denn Kristall waren, sie ergossen sich mit einem sanften Murmeln in zahllose Wasserläufe, die nur Rosen und Veilchen umrandeten. Und liebliche und erfrischende Winde kosten die Blumen dieses Gartens des Entzückens; und prächtige Pappeln schienen stolz auf den Schatten zu sein, den sie ihm gewährten. Der Grund des Wasserbeckens aber leuchtete heller denn die Fackeln, welche man vor den Königen Indiens einherträgt, und seine Ufer waren mit den reichsten Teppichen belegt; man sah da goldgestickte und andere aus Brokat, andere wieder, deren Geschmack die Pracht überbot. Ich entdeckte in einer Gartenecke einen goldenen Thron, den ein Seidendach beschattete, umgeben von den kostbarsten Ruhebetten; eine große Zahl Gefäße voll des Scherbetts und der erlesensten Weine waren zu beiden Seiten des Thrones aufgestellt; die Köstlichkeit der Tische, die man im Schatten der schönen Bäume gedeckt sah, schien mit ihrer Pracht und Verschwendung zu wetteifern; sie waren mit einer Unzahl herrlicher Gerichte besetzt, die mehr dazu dienen konnten, die Begierde zu entfachen, als die Kräfte eines Wanderers wiederherzustellen. Ich verweilte nicht lange, ohne den Hunger und den wütenden Durst zu stillen, von dem ich gequält wurde. Nachdem ich meine erschöpften Kräfte wiederhergestellt hatte, dankte ich Allah noch einmal für all seine Guttaten und wählte eine Pappel aus, um mich in ihrem Schatten den Freuden der Ruhe zu überlassen, die ich nötig hatte, und um ohne Verwirrung über alles nachzudenken, das ich im Gegensatz zu dem Bilde sah, das mir der Derwisch und der Kaufmann entworfen hatten. Und ich konnte ihren Irrtum nicht begreifen, denn sie waren mir als zu ehrenwerte Menschen erschienen, als daß sie mich hätten betrügen wollen; kurz, wie man sich leicht schmeichelt, redete ich mir ein, daß mir Auszeichnungen widerführen, die noch kein anderer verdient hätte.
Die Sonne war schon der dunkelsten Nacht gewichen, und der Vogel des Mondes hatte seine lieblichen Gesänge eingestellt, als ich erwachte. Und ich sah dann mitten durch die Finsternis der Bäume Fackeln erscheinen, deren Licht heller strahlte denn das der Sterne; ich hörte ein wirres Geräusch in den Lüften und erblickte eine große Zahl Jungfrauen, deren Schönheit mir bewundernswert erschien; ihre von tausend Vorzügen ausgezeichnete Sittsamkeit würde die gefühllosesten Herzen gerührt haben, und ihr Lachen war selbst melodischer als das der Engel; ihr Busen war weiß und duftete ebenso schön wie Jasmin; ihre Augenbrauen glichen gespannten Bogen, ihre Gesichter waren glänzender als der Mond, und ihre schönen Haare fluteten lässig über die Schultern, deren Weiße selbst das Elfenbein beschämte und die sich Engel gewünscht und ihnen mißgönnt haben würden. Himmel und Erde schienen mit ihrem tiefen Schweigen den Schönen zu huldigen. Jede dieser Jungfrauen trug eine Kerze, die weißer war denn der Schnee; und dieses Licht diente dazu, um so viele Wunder der Anmut zu unterscheiden.
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