Tausend weisse Flocken
Durocher ist nicht Melanies Mutter", warf Zachary ein.
"Sie ist Gast hier, das ist alles."
Linda warf Claire einen entschuldigenden Blick zu. "Oh, tut mir Leid. Da sie auch dunkle Haare hat und Sie beide sich so gut verstehen, dachte ich ..."
"Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen." Claire betrachtete Zachary mit einem mordlustigen Blick. "Ich fühle mich geschmeichelt. Wenn ich eine Tochter hätte, dann müsste es eine wie Melanie sein."
"Das klingt schön!" Linda neigte den Kopf und betrachtete sie neugierig. "Zuerst dachte ich, Sie kämen aus dem Osten Kanadas, aber das stimmt nicht, oder? Ihr Akzent klingt europäisch."
"Sie kommt aus Frankreich", verkündete Zachary. "Und wenn ihr Urlaub vorbei ist, wird sie dorthin zurückkehren."
Claire errötete vor Wut. "Mein Englisch ist vielleicht nicht so gut wie Ihres, Zachary, aber fließend genug, dass ich für mich selbst sprechen kann. Und zufälligerweise werde ich länger in Kanada bleiben."
"Aber nicht hier in Topaz Valley", erwiderte er ausdruckslos.
"Eine Gruppe aus Japan hat das ganze Hotel für die ersten beiden Januarwochen gebucht, und deshalb werden wir nicht einmal eine freie Kammer haben, ganz zu schweigen von der Art Unterkunft, die Sie wünschen."
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den anderen Gästen zu und überschüttete sie mit seinem Charme.
Entsetzt stellte sie fest, dass sie den Tränen nahe war. Warum muss er mich so verletzen? fragte sie sich traurig. Ich wollte ihm doch nur beweisen, dass ich nicht die oberflächliche, reiche Ziege bin, für die er mich gehalten hat.
Du meine Güte, wann hörst du endlich auf, dich zu belügen, Claire? meldete sich eine innere Stimme. Was du wirklich willst, ist, dass er dich genauso liebt wie du ihn.
Mon dieu, es stimmte tatsächlich! Sie hatte sich in ihn verliebt.
Bestürzt stocherte sie in ihren Austern herum und sagte sich, dass sie eine Närrin sei, wenn sie sich in einen Mann verliebte, der sie so offenkundig verachtete. Trotzdem kämpfte sie weiterhin mit den Tränen, bis ihr die Austern vor den Augen verschwammen und sie glaubte, ersticken zu müssen, weil ihr die Kehle wie zugeschnürt war. "Bitte entschuldigen Sie mich", sagte sie leise, legte die Serviette auf den Tisch und schob ihren Stuhl zurück. "Ich habe heute keinen Appetit."
Als sie das Foyer betrat, kam McBride gerade herein. "Alles in Ordnung?" fragte er und hielt ihr die Tür auf.
"Ich habe bloß Kopfschmerzen", brachte sie heraus und eilte an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen.
Zum Glück kam ihr niemand entgegen, als sie den Weg entlang und schließlich die Stufen zu Zacharys Haus hochlief.
Da McBrides freundliche Frage sie vollends aus der Fassung gebracht hatte und ihr die Tränen nun übers Gesicht liefen, hätte sie es nicht ertragen, wenn sie jemand so gesehen hätte.
Während ihrer Abwesenheit hatte man ihre Suite sauber gemacht und Holzscheite im Kamin aufgestapelt. Fünf Minuten später loderten die Flammen, und sie lag, mit einem Umhangtuch zugedeckt, auf dem Ledersofa und lauschte dem Knistern der brennenden Holzscheite und der leisen Musik aus der Stereoanlage.
Warum konnte sie dann nicht einnicken und einen Mittagsschlaf machen? Warum erinnerten die Weihnachtslieder sie daran, dass sie nie erfahren hatte, wie es war, sich an ihre Mutter zu schmiegen und das Weihnachtsfest zu genießen?
Daran, wie es war, wenn Mummy Daddy unter dem Mistelzweig küsste? Oh, nicht in ihrem Haus, obwohl Lisette viele andere Männer geküsst hatte.
Und der Vater ihrer Tochter? War er ein Seemann gewesen, der in Marseille angelegt hatte und sich für einen Abend hatte amüsieren wollen, ein Prinz, ein Bettelmann? Claire schloss die Augen und versuchte, an nichts zu denken, weil sie wusste, wie wenig Sinn es hatte. Sie hatte sein dunkles Haar und seine grauen Augen geerbt, doch ansonsten wusste sie nichts über ihn
- wer er war, was er war, waren Geheimnisse, die ihre Mutter auch dann mit ins Grab genommen hätte, wenn sie es selbst gewusst hätte.
Sei vernünftig, ermahnte sie sich. Denk daran, wie weit du es gebracht hast, statt dir noch mehr zu wünschen. Es gab einmal eine Zeit, in der du dich glücklich geschätzt hättest, wenn du an einem Ort wie diesen die Fußböden hättest schrubben können.
Was hatte ihre Mentorin Belle damals noch gesagt, wenn niemand auf den Markt gekommen war, um auf Schatzsuche zu gehen, und kein Geld für frisches Brot oder Fisch da gewesen war? "Selbst der Reichste kann keine Zeit
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