Tausend Worte der Liebe
flüsterte Shay, die tiefes Mitgefühl empfand, obwohl nichts in Mitchs Stimme oder Benehmen darum bat.
»Ich war damals wie benommen«, fuhr er gleichmütig fort. »Aber Dad war mir ein guter Vater, und später hat meine Mutter wieder geheiratet. Sie ist unverschämt glücklich jetzt.«
»Aber Ivys Mutter …«
»Elizabeth tat ihr Bestes. Sie liebte meinen Vater.« Shay schwieg.
»Du bist dran«, ermunterte Mitch sie.
Shay starrte in das prasselnde Kaminfeuer. Ihre Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit. »Rosamond war ihr eigener, größter Bewunderer«, sagte sie. »Trotzdem hat sie sich oft selbst gedemütigt. Ich erinnere mich an einen ihrer Liebhaber – einen Tennisspieler –, der zwar toll aussah, aber hinter seiner Stirn war absoluter Hohlraum.«
Mitch schmunzelte. »Weiter!«
»Er war mit daran schuld, dass Mutter Rileys überdrüssig wurde. Riley und Garrett zogen aus, er zog ein. Aber es muss ihm hier im Haus nicht gefallen haben, denn er beschloss eines Tages, in seine alte Umgebung zurückzukehren. Ich werde nie vergessen, wie Mutter sich damals benommen hat. Der Kerl wollte in seinen Wagen einsteigen, Mutter lief ihm hinterher und kniete sich in der Einfahrt auf den Sand, umklammerte seine Beine und flehte ihn an, dazubleiben.« In Shays Blick lag Schmerz und Abscheu, als sie Mitch diese Episode erzählte. »Es war scheußlich.«
»Du hast das gesehen?« Ungläubiges Erstaunen lag in seinem Ton.
»Ja, das und schlimmeres.«
»Komm her zu mir.« Mitch schob Bücher und Kissen beiseite, um auf dem Sofa für Shay Platz zu schaffen.
Shay wollte nicht fortgehen, aber sie fühlte sich auf einmal zu verstört und verwundbar, um zu bleiben. »Ich möchte nicht …«
»Ich weiß«, sagte Mitch, stand auf, streckte die Hand nach Shay aus und wartete geduldig, bis Shay sie ergriff. Dann führte er sie ruhig nach oben in sein Schlafzimmer.
Jetzt, wo ein mächtiges Wasserbett, Stühle und Kommoden sowie ein Schreibtisch hier standen, wirkte der Raum längst nicht mehr so riesig. Auf einem chinesischen Teppich in der Mitte stand frei zugänglich ein Schachtisch mit kostbaren Achat- und Jadefiguren zum Spielen bereit.
Geschickt, als gehörte das zu seiner täglichen Routine, zog Mitch Shay aus und ließ sie dann in ein blauseidenes Pyjamaoberteil schlüpfen mit seinem Monogramm auf der Brusttasche.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du Pyjamas trägst«, meinte Shay, die sich der Belanglosigkeit ihrer Worte wohl bewusst war, aber sich zu unsicher fühlte, um etwas Tiefsinniges sagen zu können.
»Das ist ein Weihnachtsgeschenk von Ivy gewesen«, erwiderte Mitch lachend und verschwand im angrenzenden Bad. Dann hörte Shay, dass er duschte.
»Was soll ich eigentlich hier?«, fragte Shay den Kosmos und hielt die Arme zur Seite gestreckt.
Als der Kosmos ihr nicht antwortete, folgte sie Mitch und suchte im Wandschrank nach einer neuen Zahnbürste. Sechs Stück fand sie dort, alle steril verpackt in Plastiketuis. Während sie sich die Zähne putzte, kochte sie vor Ärger. Dieser Mann beabsichtigte, einen Harem zu unterhalten.
Hinter der Milchglastür des Doppelduschbades sang Mitch aus voller Lunge. Shay betrachtete ihr Spiegelbild im dampfbeschlagenen Glas. »Wenn du nur einen Funken Verstand hättest, Shay Kendall«, murmelte sie, »würdest du nach Hause fahren. Dieser Mann gehört zu denen, die Extrazahnbürsten vorrätig haben. Was sagt man dazu!«
Nachdem sie sich das alles gesagt hatte, ging sie ins Schlafzimmer zurück und kroch unter die Bettdecke. Seidene Bettbezüge, sanftes Wiegender Wassermatratze und das Plätschern der Wellen vorn Pazifik her lullten sie in einen angenehmen Halbschlaf.
Sie fühlte, wie das Bett schaukelte, als Mitch sich neben sie legte, hörte das Klicken, als er die kleine Lampe ausknipste. »Wirst du mich jetzt lieben?«, fragte sie.
Er lachte in sich hinein und zog sie näher an sich heran. »Nein.« Shay gähnte. »Lass mich nicht los, okay?«
»Okay«, war seine heisere Antwort.
Sie schliefen wunderbar miteinander in dem gigantischen Bett, ohne Leidenschaft und Begehren, zufrieden mit der Wärme des anderen.
Mitch erwachte durch eine köstliche Liebkosung und öffnete die Augen, um einen Vamp mit zerzaustem Haar zu sehen, der neben ihm auf dem Bett kniete, das Gesicht erleuchtet durch ein übermütiges Lächeln. »Hm«, sagte er und streckte sich vor Genuss, den Shay ihm bereitete. »Die Waffenruhe ist vorbei, nehme ich an.«
»Ja, sie ist vorbei«,
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