Tausend Worte der Liebe
Sie nahm das Gespräch mit gemischten Gefühlen an.
»Miss Kendall?«
Shay atmete tief durch und schob den Aktenberg beiseite, auch eine Hinterlassenschaft von Marvin, durch den sie sich mühsam durcharbeitete. »Ja?«
»Mein Name ist Robert Parker. Ich rufe Sie an wegen Ihres Kontos.«
Shay erschrak einen Moment lang, beruhigte sich aber sofort wieder. Eigentlich konnte nichts im Busch sein. »Bitte?«
»Auf Ihrem Konto ist eine beträchtliche Summe eingegangen, und ich wollte nur sichergehen, dass kein Irrtum vorliegt.«
»Das verstehe ich nicht.« Shay schüttelte den Kopf. »Ein Scheck über viertausend Dollar kann doch nicht …«
»Viertausend Dollar?« Der Banker lachte nervös. »Liebe Güte, der Betrag ist ein Vielfaches davon. Aber ich dachte mir schon, dass es sich um ein Versehen handeln muss.«
Shay gab ihm im Stillen recht, doch gar so ungläubig brauchte der Mann trotzdem nicht zu tun. Wenn ihr Konto auch nie viel mehr als achthundert Dollar auswies, so war sie schließlich keine arme Kirchenmaus. Und im Soll hatte sie nur ganz selten – dann auch nur versehentlich – gestanden.
»Warten Sie eine Sekunde, Mr Parker, das war doch der Name, oder? Woher kommt das Geld?«
»Die Überweisung wurde von einem Mr Mitch Prescott veranlasst.«
Das Buch! Shays Interesse an Mitch lag inzwischen auf ganz anderer Ebene. Dass ursprünglich die Zusammenarbeit an dem Buch über Rosamond sie einander nähergebracht hatte, war völlig in Vergessenheit geraten, und Shays Verhältnis zu Mitch hatte mit beruflichem Aspekt wirklich nichts mehr zu tun.
»Dann gehört das Geld doch mir«, sagte Shay bestimmt. »Wie viel ist es denn?«
Der Betrag, den Mr Parker nannte, ließ ihr Herz schneller schlagen. Mitch hatte zwar so etwas angedeutet, aber diese Summe überstieg ihre kühnsten Träume.
»Wir müssen natürlich die Bestätigung abwarten«, hörte Shay Mr Parker sagen. Er schien den unerwarteten, warmen Regen irgendwie suspekt zu finden.
»Natürlich.« Das Gespräch war beendet. Shay faltete ihre Hände auf der Tischplatte und stützte den Kopf drauf. Sie war reich.
Je mehr Mitch sich gedanklich mit dem Alan-Roget-Projekt beschäftigte, umso mehr interessierte ihn die Sache. Das Buch würde eine Studie über menschliche Verkommenheit werden. Aber zum ersten Mal in Mitchs Leben stand etwas dagegen und war ihm genauso wichtig wie seine Arbeit: Shay.
Auf alle Fälle erschien es ihm ratsam, die Biografie der Rosamond Dallas schnell druckreif abzuliefern. Er packte seinen Schreibcomputer mit allem, was dazugehörte, aus und setzte die Maschinerie in Gang. Mithilfe der Notizen und der Tonbänder fing er an, einen ersten Überblick zu umreißen.
Mehrmals wurde er durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Ein pedantischer Bankmensch hatte Rückfragen wegen der Überweisung an Shay, die Mitch sofort nach Ivans Abreise veranlasst hatte, und Kelly rief an und bestätigte glücklich, dass sie während der Weihnachtsferien kommen dürfe.
Der nächste Anrufer war Lucetta White. Durch Flüsterpropaganda war Lucetta zu Ohren gekommen, dass Mitch einen Treffer gelandet habe. Nun wollte sie Einzelheiten wissen. Mitch sprach mehr als fünfzehn Minuten mit ihr und erzählte ihr trotzdem überhaupt nichts.
Mitch hatte die Hände im Nacken verschränkt und versuchte, den verloren gegangenen Faden wieder aufzunehmen, da klingelte das Telefon wieder. Er meldete sich mit einem kurzen »Hallo?«
»Hallo …«, erwiderte Shay, und das eine Wort drückte ihre ganze Verwirrung aus. »Wegen des Geldes …«
Mitch wartete auf das, was noch kommen sollte. Da sie schwieg, sagte er: »Es ist dein Anteil, wie vereinbart. Ist etwas nicht in Ordnung?«
Ja … Nein – natürlich ist alles in Ordnung. Werden wir … Arbeiten wir heute wieder?«
»Ich arbeite. Von jetzt an besteht deine Tätigkeit aus gelegentlicher Beratung. Natürlich brauche ich dich, damit du das fertige Material durchsiehst, über das ich gerade schreibe.«
»Oh.« Das klang enttäuscht, vielleicht sogar ein wenig verletzt.
»Shay, was ist los?«
Sie seufzte. »Ich komme mir ein bisschen …ja, ein bisschen überflüssig vor. Und auch überbezahlt.«
Mitch lachte. »Wie kommst du nur auf solche Gedanken, mein Liebling. Hör mal, wenn du dich nützlich machen willst bei unserem Buch, dann wüsste ich wie.«
Er konnte sie fast sehen, wie sie ihre schöne Löwenmähne schüttelte. »Nein, nein. Ich hab’ selbst eine Menge zu tun, jetzt wo ich eine
Weitere Kostenlose Bücher