Tausend Worte der Liebe
Mitch«, sagte sie. Er lachte tief und warm, ein bisschen schläfrig. »Gute Nacht, Prinzessin.«
Shay küsste den Hörer, bevor sie auflegte. Gut, dass niemand sie sah.
Als Shay am anderen Morgen sich für die Arbeit fertig machte, schlief Alice noch. Um sie nicht zu stören, schrieb Shay ihre Telefonnummer vom Büro auf einen Zettel und schlich hinaus. Sie waren übereingekommen, sich gegenseitig nicht hinderlich zu sein.
Auf dem Weg zu Reese Motors dachte Shay darüber nach, wie schnell sich das Leben ändern kann, nachdem jahrelang alles ruhig gelaufen war. Erst hatte sie Mitch kennengelernt, und plötzlich tauchte ihre Großmutter auf, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Der Partyservice, ihr geheimer Wunschtraum, rückte in greifbare Nähe. Und all das geschah innerhalb weniger Wochen.
Shay wurde bereits ungeduldig von Richard Barrett erwartet. Der vierte und letzte Streifen musste noch gedreht werden, das wollte er mit Shay besprechen. Sie war ganz froh darüber, denn danach war Schluss, und sie musste sich nie mehr vor einer Kamera zur Närrin machen lassen.
»Das hier ist eine gigantische, behaarte Hand«, erklärte Richard mit erstaunlicher Begeisterung und zeigte auf das Szenenbild.
»Das sehe ich selbst, Richard«, meinte Shay trocken. »Und wann werden wir drehen?«
»Morgen – hoffe ich wenigstens. Wir müssen diese Hand nämlich extra anfertigen lassen.«
Shay seufzte. »Hoffentlich bricht sie nicht zusammen oder sonst etwas in der Art.«
»Absolut nicht! Würde ich etwa Ihr Leben riskieren?«
Shay zuckte die Schultern. »Weiß man’s? Sie haben mich auch beinahe im Zucker ersticken lassen. Also frage ich vorsichtshalber.«
»Marvin wird von den Werbespots begeistert sein, Shay«, sagte Richard unerwartet milde. »Sie haben Ihre Sache großartig gemacht. Der erste Spot ist gestern gesendet worden, spät abends. Und Sie sahen toll aus, sogar in dem Bienenkostüm.«
Shay lachte: »Hoffentlich fanden das die Kunden auch.«
Richard steckte den Szenenentwurf wieder in seine Tasche und verabschiedete sich.
Gegen Mittag kam Alice an mit einem Taxi. Für die Lunchverabredung mit der Enkelin hatte sie sich fein gemacht. Shay führte sie herum und stellte sie stolz Ivy vor, all den Verkäufern und sogar den Mechanikern in der Reparaturwerkstatt.
»Ich sah dich heute im Fernsehen, Liebes«, sagte Alice im Restaurant über dem Salat. »Du trugst ein Bienenkostüm, ausgerechnet.« Sie blickte ein wenig verwirrt drein, so als ob sie erwartete, dass Shay es als einen Irrtum hinstellen würde.
In wenigen Worten erklärte Shay ihr Marvins absonderliche Ansichten über Werbung.
»Oh, dann verstehe ich alles«, sagte Alice. »Bei uns in Springfield ist ein Autohändler, der macht es ähnlich.« Nach kurzer Essenspause fragte sie interessiert: »Gibt es einen jungen Mann in deinem Leben, Liebes?«
Der abrupte Themenwechsel überrumpelte Shay. »Ich – nun – ja
– so etwas ähnliches.«
Alice lächelte. »Gut. Nicht alle Männer sind Nichtsnutze wie dieser Eliott, weißt du.«
Shay überlegte, was Alice von Mitch halten würde, wenn sie wüsste, wie er ihre Enkelin zu einem einsamen Strand entführt hatte, um sie dort im Sand zu lieben.
»Wie heißt er, Liebes? Was macht er beruflich?«
»Er heißt Mitch Prescott. Er ist der Mann, der dich für mich gefunden hat.«
Alice verfolgte die Angelegenheit nicht. »Erstaunlich, wie du deinem Vater ähnlich siehst«, sagte sie mit verträumter Stimme.
Nach Büroschluss fuhr Shay nochmals allein zu dem großen, altmodischen Haus hin. Es störte sie nicht, dass es so heruntergekommen war. Sie wusste schon, wie der »weiße Elefant« aufzumöbeln wäre. Ihr Entschluss stand so gut wie fest.
Zu Hause fand sie Alice, die vergnügt in der Küche herumwirtschaftete, und Mitch, der ihr dabei half. Sie unterhielten sich, als wären sie alte Bekannte. Es war verrückt, aber Shay war fast ein wenig eifersüchtig auf beide.
»Setz dich, Liebes, setz dich«, sagte Alice und zeigte auf einen Stuhl am Küchentisch. »Du siehst abgespannt aus.«
Shay nahm dankbar den Kaffee, den Mitch ihr einschenkte. »Ihr zwei verwöhnt mich. Was werde ich ohne euch tun?«
Diese unschuldige Frage verursachte ein unbehagliches Schweigen. Mitch ging zum Fenster und schaute auf die Straße. Doch Alice Bretton fasste sich schnell wieder. »Ich habe deinem jungen Mann gerade erzählt, dass ich mein kleines Haus verkaufen möchte, um hierher zu ziehen. Ich könnte ein kleines
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