Tausendschön
bin ich mir sicher«, sagte Fredrika. » Diese ganze Sache ist viel komplexer, als wir es uns jetzt vorstellen können. Zum Beispiel habe ich nachgeprüft, wann Viggo den Nachnamen gewechselt hat. Das war im selben Jahr, als er auf der Polizeischule anfing.«
» Mein Gott«, sagte Alex, » kann es sein, dass er schon seit 2004 dabei ist? Als sie wieder angefangen haben, Flüchtlinge zu verstecken?«
» Ganz bestimmt«, sagte Fredrika entschieden. » Um nicht sofort alle Blicke auf sich zu ziehen, wenn sein Vater mal erwischt würde, ist er zumindest dem Anschein nach auf Distanz zur Familie gegangen, indem er sich einen neuen Nachnamen zugelegt hat.«
» Was offensichtlich sehr gut funktioniert hat«, murmelte Alex.
» Überhaupt nicht«, wandte Fredrika ein, » denn schließlich sitzen wir jetzt gerade hier und wissen, dass ihm das nicht gelungen ist.«
Alex schenkte ihr ein schiefes Lächeln. » Aber was ihn angeht, sind wir verdammt weit von einer Festnahme entfernt.«
» Können wir ihn beschatten lassen?«
Das Grinsen ihres Chefs wurde breiter. » Das haben wir die letzten Stunden schon getan«, sagte er. » Offensichtlich hängt er in seiner Wohnung herum.«
» Vielleicht wartet er auf Anweisungen.«
» Vielleicht«, sagte Alex angespannt.
Er ging beim zweiten Klingeln ans Telefon.
» Ich mache mich jetzt auf den Weg.«
» Okay. Möchtest du, dass ich dich begleite?«
Sie schwieg. » Nein«, antwortete sie dann, doch mit so viel Zögern in der Stimme, dass er sofort wusste, dass er sich nicht würde abhalten lassen, ihr zu folgen.
Er hatte Angst um sie, wie immer, wenn sie unvorsichtig war. » Das kann gefährlich werden«, sagte er.
» Ich weiß«, erwiderte sie im selben gedämpften Tonfall.
» Pass auf dich auf.«
» Immer.«
Ein Schweigen entstand, und er knirschte vor Stress mit den Zähnen. Er musste einfach fragen.
» Warst du zu Hause bei Mama?«
Er hörte, wie sie innehielt.
» Ja.«
» Und?«
Wieder Schweigen.
» Sie war nicht zu Hause.«
» Verdammt aber auch. Dann hat sie es geschafft, schneller zu sein …«
Sie unterbrach ihn. » Hoffen wir mal das Beste.«
» Und rechnen mit dem Schlimmsten.«
Lange Zeit, nachdem sie aufgelegt hatten, saß er noch still da und sah aus dem Fenster. Seine Kiefer mahlten angestrengt, während er seinen Entschluss fasste. Er war viel besser für einen körperlichen Kampf gerüstet, als sie es je wäre. Das hatte sie beide zu solch einem erfolgreichen Paar gemacht. Sie war die Strategin, die die Richtlinien für ihre Arbeit aufstellte, während er die aufkommenden Probleme anpackte und aus dem Weg räumte. Ein ums andere Mal.
Nie im Leben würde er hier in seiner Wohnung sitzen bleiben, während seine Liebste auf dem Kriegsschauplatz um ihr Leben kämpfte, auf dem sie vor langer Zeit so schlimm verletzt worden war, dass sie seither jedem Fremden mit größter Vorsicht und Misstrauen begegnete.
Das Telefongespräch kam aus der Zentrale, als Fredrika gerade einpacken und Feierabend machen wollte. Im Foyer stehe eine Elsie Ljung, die mit ihr sprechen wolle. Sie sei sehr aufgebracht und habe darauf bestanden, dass es wichtig sei.
Eigentlich hatte sich Fredrika bereits entschieden, dass sie jetzt nach Hause gehen und sich um sich selbst und ihr ungeborenes Kind kümmern müsse. Als sie mit Alex in der Teeküche zusammengesessen und geredet hatte, hatte sie gespürt, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte. Das Kind war auf eine Weise still, die sie bislang nicht kannte, fast als läge es da und sammelte seine Kräfte für etwas, das bald geschehen würde.
» Du wirst doch nicht schon auf dem Weg nach draußen sein?«, murmelte Fredrika vor sich hin.
Die Sorge um das Kind wurde kurz von der Unruhe überdeckt, die sie darüber empfand, dass Spencer nicht zu erreichen war. Ein Klingeln nach dem anderen verhallte unbeantwortet, wenn sie ihn anrief. Die Erschöpfung in Körper und Seele erschwerten ihr, eine logische Ursache dafür zu finden. Er hatte so geheim getan, als er weggefahren war, das sah ihm gar nicht ähnlich.
Der Hörer wurde bleischwer in ihrer Hand, als sie mit der Zentrale sprach. Elsie Ljung hatte sich außerhalb der Bürozeiten an die Polizei gewandt. Was um Himmels willen konnte sie auf dem Herzen haben?
Entschlossen erhob sie sich von ihrem Bürostuhl, ging hinüber zu Alex und informierte ihn.
» Sollen wir gemeinsam runtergehen?«, fragte er. » Ich habe Zeit, noch ein wenig zu bleiben.«
» Ich weiß nicht
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