Tausendschön
dürfen, ich weiß es nicht.«
» Das heißt, es sind nur noch Sie und Alex Recht übrig?«
Ein Anflug von Trauer übermannte Peder. » Derzeit eigentlich nur ich und ein Vertreter. Das meiste ist unklar, könnte man sagen. Alex hat ein paar Wochen dienstfrei.«
Es wurde wieder still.
» Eigentlich wollte ich Sie nur sehen, um zu erfahren, wie es Ihnen geht, Peder, und um ein paar abschließende Fragen zu stellen.«
Peder wartete.
» Was wäre das Schlimmste, das Ihnen heute passieren könnte?«
» Heute?«
» Ja.«
Peder dachte nach.
» Denken Sie nicht so lange nach, antworten Sie spontan.«
» Ylva zu verlieren, das wäre definitiv das Allerschlimmste.«
» Und die Jungen?«
» Die will ich auch nicht verlieren.«
» Aber an sie haben Sie nicht spontan gedacht, als ich meine Frage stellte?«
» Nein, aber das heißt ja nicht, dass ich sie nicht liebe. Ich liebe sie nur auf eine andere Weise.«
» Versuchen Sie, das zu erklären.«
Peder holte Luft: » Das kann ich nicht. Ich weiß nur, dass es so ist. Wenn ich morgens aufwachen würde und Ylva wäre nicht da, dann könnte ich nicht weitermachen. Das, was Alex jetzt gerade durchmacht, das würde ich nicht überleben.«
Die Worte gingen ihm aus, und Peder verstummte.
Ylva hatte ihm eine neue Chance gegeben. Jetzt war es an ihm, sie wahrzunehmen.
Bagdad
Farah Hajib wusste, dass ihr Geliebter tot war und nie wieder zurückkommen würde, als eines Tages ein grauhaariger Mann aus dem Westen an ihrer Tür klingelte.
Er sprach kein Arabisch, und ihr Schulenglisch war zu schlecht, um verstehen zu können, was er sagte. Also forderte sie ihn mit Gesten auf, mit ihr ins Nachbarhaus zu kommen, wo ihr Cousin wohnte. Der hatte als Dolmetscher für die amerikanischen Streitkräfte gearbeitet und sprach gut Englisch.
Europäische Gäste waren in Bagdad immer noch ein ungewöhnlicher Anblick. Sie waren entweder Journalisten oder gehörten zu den wenigen Botschaften, die es wagten, eine permanente Vertretung aufrechtzuerhalten. Doch Farah erkannte sogleich, dass ihr Gast von einem anderen Schlag war. Sein Schritt war unsicher, und sein Blick suchte unentwegt nach Gefahren.
Polizist, riet sie. Oder Militär. Kein Amerikaner, vielleicht Deutscher.
Doch nicht sein Verhalten sollte Farah in Erinnerung bleiben, sondern der große Schmerz und die grenzenlose Trauer, die sie in seinen Augen lesen konnte. Eine so große Trauer, dass sie ihn kaum anzusehen wagte. Sie ahnte, dass dieser Gast schlichtweg zu seltsam war, um Gutes bringen zu können.
» Er hat etwas, das er dir geben will«, übersetzte ihr Cousin, nachdem er eine Weile mit dem Mann geredet hatte.
» Mir geben?«, echote sie erstaunt.
Der Cousin nickte.
» Aber ich kenne ihn nicht.«
» Er sagt, er kommt aus Schweden und arbeitet für die Polizei. Aber er hat gerade Urlaub. Er sagt, er habe im Frühjahr den Tod deines Verlobten aufgeklärt.«
Die Worte ließen Farah zusammenschrecken, und sie sah das traurige Gesicht des älteren Mannes an.
» Er kann leider nicht länger bleiben, denn er muss noch jemand anderen besuchen, ehe er wieder nach Hause reist. Eine andere Frau, die auch im Frühjahr ihren Mann verloren hat. Er hieß Ali.«
In dem Augenblick kam die Frau des Cousins aus der Küche, neugierig, wer da zu Gast in ihrem Haus war.
Der Fremde nickte ihr vorsichtig zu und sagte etwas zum Cousin.
» Er gratuliert uns zu dem Kind, das wir erwarten«, erklärte er und sah seine hochschwangere Frau an. » Eine seiner engsten Kolleginnen hat kürzlich ein Kind bekommen, und er selbst wird Ende des Jahres Großvater.«
Farah lächelte wehmütig, doch immer noch ohne zu begreifen, warum dieser Mann sie besuchte.
Schweigend steckte er die Hand in die Tasche und holte einen kleinen Gegenstand heraus.
Der Verlobungsring ihres Geliebten.
Schweigend nahm sie den Ring entgegen und sah ihn so lange an, bis die Erinnerungen, die er hervorrief, sie zum Weinen brachten. Als sie wieder zu dem Mann aufsah, der behauptete, schwedischer Polizist zu sein, hatte auch er angefangen zu weinen.
» Es war die Idee seiner Frau, dass er hierherreisen und den Ring überbringen solle«, murmelte der Cousin, bei dem die Tränen des Gastes Unbehagen hervorriefen.
» Grüßen Sie sie, und sagen Sie vielen Dank«, sagte Farah steif.
Und sie hätte schwören können, dass der Fremde unter den Tränen lächelte.
Danksagung
Es ist wichtig, dass man sich traut, danke zu sagen, zumindest finde ich das. Die
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