Tausendschön
wohl.«
» Was wusste er?«, fragte Alex und klang frustrierter als beabsichtigt.
» Dass die Drohungen von unterschiedlichen Absendern stammten. Und womöglich sogar unterschiedliche Themen betrafen. Das würde nämlich erklären, warum Jakob über diese letzten Mails nichts zu Agne Nilsson gesagt hat.« Fredrika strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. » Wir sollten nachfragen, wer die E-Mail aus der Bibliothek in Farsta geschickt hat«, schlug sie vor. » Dort muss man sich in eine Liste eintragen und ausweisen, ehe man Zugang zum Computerraum bekommt. Damit haben sie angefangen, weil die Leute dort hingingen, um auf Pornoseiten zu surfen.«
» Mach das am Montag«, sagte Alex abschließend und fügte dann noch hinzu: » Und behalte den Fall mit dem überfahrenen Mann im Blick. Ich will wissen, was bei der Kripo in der Sache rauskommt.«
Fredrika nickte.
» Gut«, verkündete Alex, » dann gehen wir jetzt mal ins Wochenende. Nach Hause mit euch!«
Nach Hause. Die Sorge ergriff Besitz von ihm, als die Gedanken zum anstehenden Wochenende wanderten. Verdammt, er musste irgendeine Entscheidung treffen. Wortlos verließ er die Löwengrube und ging mit schwerem Herzen zu seinem Büro zurück.
Er wünschte, sein Sohn aus Südamerika würde anrufen. Komm heim, flehte er in Gedanken. Deine Mutter ist in letzter Zeit nicht mehr sie selbst.
Er schluckte schwer und strich sich gedankenverloren über die vernarbten Hände. Südamerika fühlte sich so schrecklich weit entfernt an.
Und dann entschied er sich. Wenn Lena das ganze Wochenende lang von sich aus nichts sagen würde, dann würde er zu Beginn der nächsten Woche mit ihr über seinen Verdacht sprechen.
Und im Schatten seiner privaten Sorgen wuchs eine, die mit seiner Arbeit zu tun hatte: Wenn nicht Tony Svensson Jakob und Marja Ahlbin ermordet hatte, wer in Gottes Namen war es dann gewesen?
Dunkel und Kälte und ein Himmel, der bereits nachtschwarz war, begegneten Fredrika, als sie das Haus verließ, um heimzugehen. Spencer würde erst später kommen. Sie hatte noch einige Stunden der Einsamkeit totzuschlagen.
Ich könnte ein Hobby gebrauchen, überlegte sie erschöpft, als sie von ihrem Arbeitsplatz auf Kungsholmen zu ihrer Wohnung am Vasapark schlenderte. Und mehr Freunde.
Eigentlich war nichts davon wahr. Sie hatte mehr Freunde, als es ihre Zeit eigentlich erlaubte, und mehr Freizeitaktivitäten würde sie gar nicht bewältigen können. Aber wie entstanden dann diese akuten Anfälle von Einsamkeit und fehlender Beschäftigung? Darüber dachte Fredrika schon mehrere Jahre lang nach und war zu dem Schluss gekommen, dass die Antwort ganz einfach war. Das Problem war, dass sie für niemanden an erster Stelle kam. Es gab niemanden, der sie über alles stellte, und deshalb fand sie sich immer wieder in Situationen wieder, in denen sie sich einsam und verlassen fühlte, während alle ihre Freunde vollgeschriebene Kalender hatten und keine Zeit, sich mit ihr zu treffen, wenn sie es am meisten brauchte.
Aber wie war es denn beispielsweise an diesem Abend? Hatte sie nicht selbst entschieden, sich mit niemandem zu verabreden, um auf Spencer zu warten? Auf der anderen Seite hatte auch keiner ihrer Freunde angerufen.
Das Gefühl von Einsamkeit und Verlassensein war so viel größer geworden, seit sie schwanger war. Die Erschöpfung und die Albträume taten das ihre dazu – und die elenden Schmerzen, bei denen sie manchmal einfach nur schreien wollte.
Die Wohnung war still und leer, als sie nach Hause kam. Wie hatte sie diese Wohnung geliebt, als sie sie entdeckt hatte! Große Fenster, die viel Licht einließen, blank geschliffene Kieferböden, eine wirklich schöne Einbauküche und sogar eine Kammer, in der sie eine kleine Bibliothek hatte einrichten können.
Hier bin ich neu geboren worden, dachte Fredrika.
Während sie sich durch die Wohnung bewegte, schaltete sie eine Lampe nach der anderen ein. Sie legte eine Hand auf den Heizkörper. Er war kühl. Spencer fand immer, dass sie es in der Wohnung viel zu kalt hatte.
Spencer. Immer dieser Spencer. Warum sind ausgerechnet wir beide uns begegnet?
Das Klingeln des Telefons durchschnitt die Stille. Offensichtlich hatte ihre Mutter etwas auf dem Herzen.
» Schläfst du inzwischen besser?«, war ihre erste Frage.
» Nein«, antwortete Fredrika, » aber ich habe weniger Schmerzen. Zumindest war es heute so.«
» Ich habe über etwas nachgedacht«, begann ihre Mutter.
Schweigen.
» Vielleicht würde es
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