Tausendschön
Schütze«, gab der Mann zurück. » Viele andere hätten ein Ziel verfehlt, das sich so schnell bewegt.«
Ali wand sich. » Leider habe ich allzu viele Jahre des Trainings hinter mir.«
Der Mann nickte nur. » Das wussten wir, deshalb haben wir dich ausgewählt.« Er sah aus, als würde er nachdenken, was er als Nächstes sagen sollte. » Komm mit«, sagte er schließlich und nickte hin zu einem Wäldchen, in dem die Bäume dicht standen und zwischen den Stämmen ein See glitzerte.
Plötzlich wurde Ali unsicher.
» Komm«, sagte der Mann wieder. » Es ist nur noch eine kleine Sache.«
Er lächelte so warm, dass Ali sich sofort wieder sicher fühlte.
» Wann kann ich wieder mit meiner Familie vereint sein?«, fragte er, als er dem anderen ins Dickicht folgte.
» Sehr, sehr bald«, antwortete der Mann und drehte sich um.
In derselben Sekunde löste sich ein Schuss. Und Alis Reise war zu Ende.
Montag, 3. März 2008
Auf dem Flur der Ermittlergruppe herrschte rege Aktivität, als Fredrika Bergman am Montag zur Arbeit kam. Ellen Lind lächelte ihr breit zu, als sie sich auf dem Flur vor ihrem Zimmer begegneten.
» Du siehst großartig aus! Schläfst du jetzt besser?«
Fredrika nickte und sah froh aus; fast genierte sie sich dabei, ohne zu wissen, warum. Aber ebenso wenig wusste sie, warum sie inzwischen so viel besser schlief. Vielleicht hatte das Abendessen am Samstag bei ihren Eltern einen günstigeren Einfluss auf sie gehabt, als sie gedacht hatte. Und vielleicht hatte auch das Geigenspiel ihr geholfen. Als sie nämlich erst einmal angefangen hatte, konnte sie gar nicht wieder aufhören. Das Gedächtnis saß in den Fingern, und sie spielte, wenn auch mit ein paar Lücken, Stück um Stück.
Alex hingegen sah nicht aus, als ob er besonders gut geschlafen hätte, als er die Besprechung in der Löwengrube eröffnete und eine kurze Zusammenfassung dessen gab, was am Wochenende passiert war.
Er geht in die Knie, dachte Fredrika besorgt, und wir rühren keinen Finger, um ihm zu helfen.
Peder und Joar hatten so weit voneinander entfernt wie nur möglich Platz genommen und starrten stur vor sich hin. Innerhalb von nur wenigen Tagen war der Zusammenhalt der Gruppe verloren gegangen. Fredrika bemerkte jedoch mit einer gewissen Erleichterung, dass der Konflikt ausnahmsweise einmal nichts mit ihr zu tun hatte.
» Ich habe Ragnar Vintermans Behauptung kontrolliert. Erik Sundelius wurde sowohl bei der Ärztekammer als auch wegen Totschlags angezeigt, das stimmt also«, sagte Peder. » Die Frage ist nur, was das in unserem Zusammenhang bedeutet.«
» Muss es in diesem besonderen Fall überhaupt von Bedeutung sein«, fragte Fredrika, » dass der Psychiater von Jakob Ahlbin in zwei anderen Fällen Patienten falsch behandelt hat und diese sich umgebracht haben? Wir glauben doch ohnehin nicht mehr daran, dass Jakob Ahlbin sich und seine Ehefrau erschossen hat.«
» Nein«, sagte Alex langsam. » Nein, das glauben wir nicht. Aber auf der anderen Seite wissen wir auch nicht, was sonst passiert sein soll.«
Fredrika zögerte. » Ich habe über die Schwestern Ahlbin nachgedacht«, sagte sie. » Und ich frage mich, ob wir nicht einen Fehler machen, indem wir die Vorfälle getrennt voneinander betrachten.«
Die anderen sahen sie fragend an, und Fredrika beeilte sich fortzufahren. » Die ganze Zeit tun wir so, als ob die Unklarheiten bei den Ermittlungen nichts miteinander zu tun hätten. Es sieht so aus, als hätte Jakob Ahlbin sich selbst und seine Ehefrau erschossen, und dennoch glauben wir nicht, dass es so war. Es sieht so aus, als wäre Johanna Ahlbin wie vom Erdboden verschluckt, aber genau wissen wir es nicht. Und es gibt Gründe, die Umstände um Karolina Ahlbins Tod kritisch zu betrachten, aber auch da wir nicht genau, wo der Fehler stecken könnte.« Fredrika holte Luft. » Was, wenn das alles zusammenhängt? Das wollte ich nur zu bedenken geben.«
Alex hatte das Kinn aufgestützt. Er sah zehn Jahre älter aus, als er eigentlich war.
» Also«, begann er schleppend, » es glaubt sicher keiner von uns, dass die Dinge nicht zusammenhängen. Das Problem ist eher, dass wir nicht wissen, wie. Was hast du dir denn überlegt?«
» Ich habe mir überlegt …« Sie hielt kurz inne. Wie absurd war ihr Gedankengang eigentlich? » Was, wenn es gar nicht Karolina war, die gestorben ist«, sagte sie schließlich und wand sich sichtlich. » Das klingt natürlich absurd.«
» Aber sie ist doch von ihrer eigenen Schwester
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