Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Wachskerzen angezündet haben,« und ich wandte mich weg. Da kam ich in eine Küche, dann in königliche Vorratskammern, und so ging ich immerfort von einem Gemach ins andere, bis ich mich selbst vergaß über alles Wunderbare, das mir in dieser Stadt begegnet. Endlich ward es Nacht, ich ging eine Weile im Dunklen herum und wußte nicht, wohin mich wenden, als ich wieder den Thron und den Vorhang bemerkte, hinter welchem das Licht war; ich legte mich aufs Bett, deckte mich mit der Decke zu, konnte aber nicht einschlafen. Um Mitternacht hörte ich eine zarte Stimme etwas lesen. Ich freute mich, stand auf und folgte der Stimme, bis ich an ein Zimmer kam, dessen Türe geschlossen war: ich schaute durch die Spalten der Türe und sah eine Art Kapelle, mit einer Kanzel, mit hängenden Lampen und einem Lesepult mit Wachskerzen. Auch war ein kleiner Teppich auf dem Boden ausgebreitet, auf welchem ein hübscher Jüngling saß, er hatte einen Koran in Heften vor sich liegen und las. Ich konnte nicht begreifen, wie dieser Jüngling allein davon gekommen sein sollte, während alle übrigen Einwohner versteinert worden, und dachte mir irgend einen wunderbaren Grund. Ich öffnete hierauf die Türe, trat in die Kapelle, grüßte den Jüngling und sprach: »Gelobt sei Gott, der mich dir zugeführt, damit du uns und unser Schiff rettest, und wir nach Hause zurückkehren können. O Herr! ich beschwöre dich bei der Wahrheit dessen, was du eben gelesen, antworte mir!« Der Jüngling sah mich lächelnd an und sagte: »O Mädchen! erzähle mir erst, wie du hierher gekommen, nachher will ich dir auch meine Geschichte und die von der versteinerten Stadt erzählen, so wie die Ursache meiner Rettung.« Ich erzählte ihm, wie unser Schiff zwanzig Tage umher geirrt, fragte ihn dann, warum die Leute dieser Stadt versteinert worden; da sagte er: »Warte ein wenig, ich will dir’s gleich erzählen;« er legte dann sein Buch weg.
Als er das Buch auf die Seite, wohin man sich zum Beten wendet, gelegt hatte, fuhr das Mädchen zu erzählen fort, hieß er mich neben sich sitzen, und ich sah ein Gesicht so schön wie der Vollmond, er besaß alle Reize, Gott hatte ihn mit dem Gewande der Vollkommenheit umhüllt und es mit seinen Wangen schön geschmückt, wie ein Dichter sagte:
»Ich schwöre bei der Trunkenheit seiner Augen, bei seinem Blicke, bei den Pfeilen, die seine Reize versenden, bei seiner weißen Stirne und seinen schwarzen Haaren, bei den Augenbrauen, die mir den Schlaf geraubt und mich unterjocht haben, bei der Gefahr, die seine Haarlocken verbreiten, die den Liebenden durch seine Trennung mit Tod bedrohen, bei den Rosen seiner Wangen und den Myrten seiner Schläfe, bei dem Karneol seines Mundes und den Perlen seiner Zähne, bei dem Wohlgeruch seines Atems und dem süßen Wasser seines Speichels, wo Honig mit klarem Weine gepaart, bei seinem Halse und schönem Bau der Granatäpfel auf seiner Brust, bei der Feinheit seiner Hüften, bei der Seide seiner Haut und der Zartheit seines Geistes und bei allem, was er von Schönheit umschließt, bei seiner freigebigen Hand und aufrichtigen Zunge, bei seinem edlen Stamm und erhabenen Range. Der Moschusgeruch ist nichts anderes als seine Ausdünstung, und der Ambraduft ist von ihm entnommen. Auch die leuchtende Sonne stehet so tief unter ihm wie einer seiner abgeschnittenen Nägel.«
Der erste Blick, den ich auf ihn warf, brachte mir schon Gefahr; mein Herz ward durch Liebe an ihn gebunden. Ich sagte ihm: »O mein Herr! Geliebter meines Herzens! erzähle mir die Geschichte deiner Stadt«, und er erwiderte: »Wisse, o Magd Gottes! diese Stadt gehörte meinem Vater, er ist der schwarze Stein innerhalb des Schlosses, den du bei der Königin, meiner Mutter, im Schlafkabinette gesehen. Die Einwohner dieser Stadt waren Magier, die das Feuer anbeteten und bei ihm schworen, nicht beim allmächtigen König. Mein Vater hatte mich durch göttliche Gnade in hohem Alter erhalten. Als ich heranwuchs, lehrte mich eine alte Frau, die bei uns im Hause war, den Koran, auch sagte sie mir, bete nur den erhabenen Gott an. Ich lernte den Koran bei ihr, ohne daß mein Vater und meine Leute etwas davon wußten. Eines Tages hörten wir eine furchtbare Stimme, welche rief: Ihr Bewohner dieser Stadt! hört auf, das Feuer anzubeten! betet zu Gott, dem Barmherzigen! Sie bekehrten sich aber nicht. Diese Stimme kam drei Jahre nacheinander drei Mal wieder, und nach dem letzten Jahre war auf einmal die Stadt wie du sie jetzt
Weitere Kostenlose Bücher