Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
der Nadel auf das Tiefe des Auges stechen wollte, könnte jeder sich daran belehren.« Der Kalif sagte: »Erzähle mir deine Geschichte!« und der junge Mann antwortete: »Gott und dem Fürsten der Gläubigen ziemt Gehorsam,« und begann hierauf:
Wisse, o Fürst der Gläubigen! die erschlagene Frau war mein Weib, Mutter meiner Kinder und meine Muhme. Dieser Alte ist mein Oheim und ihr Vater, er verheiratete sie mit mir, als sie noch Jungfrau war; ich lebte elf Jahre mit ihr als mit einer gesegneten Gattin, sie gebar mir drei Söhne, führte einen reinen Lebenswandel und bediente mich so gut, als nur möglich; aber auch ich liebte sie sehr heftig und als sie einmal in diesen Monaten sehr krank wurde, bediente ich sie aufs sorgfältigste. Nach Verlauf eines Monats ward sie nach und nach wieder besser. Da sagte sie mir eines Tages, ehe sie ins Bad ging: »O mein Vetter! ich möchte, daß du mir einen Wunsch gewährtest.« – »Ich werde ganz gehorsam sein«, antwortete ich, »und hättest du auch tausend Wünsche«. Da sagte sie: »Ich gelüste nach einem Apfel, um daran zu riechen und einen Bissen davon zu essen; nachher möchte ich allenfalls sterben.« Ich sagte zu ihr: »Gott gebe deine Genesung!« Ich suchte dann in ganz Bagdad und konnte keinen Apfel finden, denn hätte ich einen auch mit meinen Augen bezahlen müssen, so hätte ich ihn gekauft. Es tat mir sehr weh, den Gegenstand ihres Wunsches nicht finden zu können. Ich ging nach Hause und sagte ihr: »Liebe Muhme, ich habe bei Gott! keinen Apfel finden können.« Ihre Krankheit nahm in jener Nacht wieder sehr zu; ich stand daher am anderen Morgen auf und suchte in allen Gärten herum und konnte noch immer nichts finden. Da sprach zu mir ein alter Gärtner: »Mein Sohn, du wirst nirgends Äpfel finden, außer im Garten des Fürsten der Gläubigen zu Baßrah, von denen sich bei seinem Verwalter ein Vorrat findet.« Ich ging nach Hause, und von meiner Liebe und Treue zu ihr bewogen, machte ich Anstalten zur Reise und reiste einen halben Monat lang Tag und Nacht nach Baßrah und zurück, und brachte drei Äpfel, die ich vom Verwalter für drei Goldstücke gekauft, mit mir und überreichte sie meiner Frau. Sie dachte aber gar nicht mehr daran und warf sie neben sich hin, und ward noch zehn Tage lang immer schwächer und kränker. Einst saß ich in meinem Laden und handelte mit Waren, da kam auf einmal ein großer, starker, häßlicher Sklave auf den Markt, mit einem der drei Äpfel in der Hand, wegen welcher ich einen halben Monat lang auf der Reise gewesen war. Ich rief dem Sklaven zu und sagte ihm: »O guter Sklave, woher hast du diesen Apfel?« Da antwortete er: »Ich habe ihn von meiner Geliebten; als ich sie heute besuchte, denn sie ist krank, fand ich drei Äpfel bei ihr, und sie sagte mir, daß ihr Mann eine Reise von einem halben Monat gemacht, um sie ihr zu bringen; ich aß und trank mit ihr und nahm einen der drei Äpfel, mit dem du mich hierherkommen gesehen.« Nun, o Fürst der Gläubigen! ward mir die Welt ganz schwarz, als ich dies hörte; ich schloß sogleich den Laden, ging nach Hause und war außer mir vor Zorn und Wut: ich sah nach den Äpfeln und fand wirklich nur zwei; ich fragte meine Muhme, wo denn der dritte Apfel sei? Sie hob den Kopf auf und sagte: »Bei Gott, mein Vetter, ich weiß es nicht.« Nun war ich von der Wahrheit der Erzählung des Sklaven überzeugt; ich nahm ein scharfes Messer, trat von hinten zu ihr, sagte ihr kein Wort, bis ich auf ihr saß, und schnitt ihr den Kopf ab, legte sie dann schnell in einen Korb, nähte einen Mantel um sie und drüber noch ein Stück Teppich, legte sie in eine Kiste, nahm sie auf den Kopf und warf sie in den Tigris. Nun, bei Gott, o Fürst der Gläubigen, räche sie an mir; laß mich schnell hängen, sonst werde ich einst vor Gott Rache für sie von dir fordern; denn als ich nach Hause kam, sah ich, wie mein ältester Sohn schrie, und als ich ihn fragte, was er wolle, sagte er mir: »Mein Vater, ich habe diesen Morgen meiner Mutter einen der drei Äpfel gestohlen, die du ihr gebracht, und bin damit auf die Straße gegangen, da kam ein langer, schwarzer Sklave und nahm ihn mir weg; ich rief ihm zu: »O guter Sklave, dieser Apfel gehört meiner Mutter; mein Vater hat eine Reise von einem halben Monat nach Baßrah gemacht, um meiner kranken Mutter drei Äpfel von dort zu holen, bringe mich daher nicht in Verlegenheit;« er gab mir aber kein Gehör. Als ich ihm dann dasselbe zwei bis dreimal
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