Tausendundeine Nacht mit dir
gleich, wie gut er aussah, eine so elementare Wirkung auf sie ausübte, oder?
Dawud hielt jetzt die Tür für sie auf. Belle atmete einmal tief durch. Nein, die Wirklichkeit konnte nicht so schlimm sein, wie sie sich ausgemalt hatte. Sie trat über die Schwelle und erstarrte.
Ihre Fantasie hatte ihr keinen Streich gespielt, im Gegenteil. Rafiq glich nicht nur dem Bild aus ihrer Erinnerung, sondern er übertraf es noch.
„Belle, so treten Sie doch ein.“ Jetzt kam er auf sie zu und schloss sie in seine Aura ein. Obwohl er mehrere Schritte vor ihr stehen blieb, fühlte sie sich von seiner Energie eingehüllt wie in einen Kokon.
Groß, mit breiten Schultern, das tiefschwarze Haar zurückgebunden, blickte er sie mit undurchdringlichen meergrünen Augen an. Die Robe aus feiner Baumwolle war grau meliert, abgesetzt mit gebrochenem Grün. Unwillkürlich musste Belle an die stürmische See denken, an ahnungsvolle Geheimnisse. An das Bild, wie er an jenem Morgen nackt aus dem Wasser gestiegen war …
Sie riss sich zusammen und atmete tief durch, machte einen Schritt vor. „Hoheit …“
„Nein, Rafiq“, bat er sofort. Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich weiter in den Raum hinein.
„Rafiq“, wiederholte sie und blieb atemlos stehen, als er lächelte. Smaragdgrüne Punkte schimmerten in seinen Augen, das Lächeln hellte sein Gesicht auf und ließ ihn umwerfend aussehen. Automatisch erwiderte sie dieses Lächeln. Ihr Herz begann hart zu klopfen. Die Wärme seiner Hand weckte die Erinnerung an die Nacht, in der er sie im Sturm sicher in seinen Armen gehalten hatte.
„Ich freue mich, dass Sie sich wieder erholt haben.“ Seine tiefe Stimme fuhr prickelnd wie eine Liebkosung über ihre Haut. „Sie sehen gut aus.“
Von hinten durchschnitt Dawuds Stimme die aufgeladene Atmosphäre. „Miss Winters ist gerade erst aus der Klinik entlassen worden. Sie wird erschöpft sein.“
„Natürlich, ich werde sie nicht lange aufhalten.“ Mit gerunzelter Stirn sah Rafiq an Belle vorbei zu Dawud, ganz offensichtlich verärgert über die Unterbrechung. „Du kannst uns nun allein lassen.“
Mit einer tiefen Verbeugung schloss Dawud die Tür hinter sich.
„Kommen Sie.“ Rafiq geleitete Belle zu einer Sitzgruppe. Seine Hand an ihrem Arm sandte Hitze durch ihren ganzen Körper. Sie atmete seinen Duft ein – markant, männlich. Etwas tief in ihr rührte sich, etwas, das reiner Instinkt war.
„Nehmen Sie Platz.“ Er deutete auf ein tiefes Sofa mit einladenden Kissen. „Machen Sie es sich bequem.“
Sobald sie sich setzte, ließ Rafiq sich auf dem Sofa ihr gegenüber nieder. Doch selbst auf diese Distanz hin fühlte Belle das schwelende Verlangen durch ihren Körper pulsieren, diese Hitze, die ihre Haut von innen verbrannte. Die seltsame Verbindung zwischen ihnen ließ sich nicht ignorieren. Vielleicht hatten die Ärzte doch recht. Vielleicht brauchte sie mehr Ruhe. Eine solche Reaktion konnte unmöglich normal sein.
„Wie fühlen Sie sich?“, fragte er.
„Wie neugeboren“, antwortete sie viel zu hektisch. „Alle im Krankenhaus waren so nett. Einfach wunderbar.“ Und sie plapperte!
„Die Ärzte wollten Sie länger dabehalten.“
„Sie haben mit ihnen gesprochen?“
Er nickte. „Wir alle haben uns große Sorgen um Sie und Mr. MacDonald gemacht.“
Natürlich. Es wäre ein Schlag für die Regierung gewesen, wenn sie oder Duncan ums Leben gekommen wären. Seine Fragen hatten nichts mit persönlichem Interesse zu tun. Wieso auch? Und dennoch, wider besseres Wissen und gegen alle Vernunft quälte es sie immer noch, dass er sie nicht im Krankenhaus besucht hatte. Tagelang hatte sie dort gelegen und an ihn gedacht, hatte sich gewünscht, die Tür würde aufgehen und er würde im Zimmer stehen.
Und während ihre Enttäuschung wuchs, wurde ihr auch die Unsinnigkeit dieses Wunsches bewusst. Erwartete sie wirklich, der Herrscher des Landes würde an ihrem Krankenbett auftauchen? Lächerlich! Absolut albern!
Sie nahm sich zusammen, setzte ein strahlendes Lächeln auf und sah ihm in die Augen. „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.“ Sicher bildete sie sich nur ein, dass sie etwas in seinem Blick erkannte, das ihr einen angenehmenSchauer über den Rücken jagte. Also ignorierte sie beides. „Ohne Ihr Eingreifen wären Duncan und ich jetzt tot. Wir verdanken Ihnen unser Leben.“
„Sie schulden mir nichts, Belle. Sie sind unschuldig Opfer geworden. Es war meine Pflicht, Sie zu finden.“ Er hielt inne.
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