Tausendundeine Nacht mit dir
freute.Die Meeresarchäologie war seit Jahren das Zentrum ihres Lebens, inzwischen konnte sie sogar behaupten, sich einen ansehnlichen Ruf als Wissenschaftlerin erarbeitet zu haben.
Sie hatte einiges aufzuholen. Sie würde im Zentrum für Meeresarchäologie anrufen und einen Ersatz für Duncan besprechen müssen. Hoffentlich hatte der Zyklon das Schiffswrack nicht wieder verschüttet. Oder schlimmer, beschädigt. Für ein fast zweitausend Jahre altes Schiff war es in erstaunlich gutem Zustand gewesen. Und natürlich würde sie heute Abend ihre Mutter anrufen, um sie zu beruhigen. Danach ein langes heißes Bad – der pure Luxus!
Dennoch, etwas nagte an ihr: Angst. Angst, dass sie, allein in dem Haus, das dem Forschungsteam zur Verfügung gestellt worden war, nicht sicher sein würde. Dass die brutalen Kerle mit vorgehaltenen Waffen in das Haus einbrechen würden.
Aber das musste doch jetzt vorbei sein? Der Arzt hatte etwas von politischen Beweggründen erwähnt. Hatte behauptet, sie und ihr Kollege seien lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Dennoch blieb die Angst. Belle fragte sich, ob sie je wirklich schwinden würde.
Sie starrte aus dem Fenster und fand etwas Trost in den Szenen der geschäftigen Stadt. Sie liebte die Altstadt mit dem Labyrinth aus engen Gassen, die unerwartet in große offene Marktplätze ausliefen.
Die Limousine bog um eine Ecke, und Belle sah den Palast hell erleuchtet direkt vor sich liegen. Ein Märchenpalast, der sie an die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht erinnerte, an Dschinns und fliegende Teppiche. Auf den beiden Seiten, die zum Meer hin standen, glichen die jahrhundertealten Mauern einer Festung, doch die Vorderseiten hätten einem arabischen Märchen entstammen könnenmit den üppigen Gärten, den Springbrunnen und Pavillons, den Kuppeln und Bögen und filigranen Mosaiken.
„Hier sind wir falsch“, versuchte Belle den Fahrer aufmerksam zu machen.
Er ignorierte sie, fuhr stattdessen bis vor das schmiedeeiserne Tor. Die Wache salutierte, und die Flügel schwangen auf.
„Was machen Sie denn?“ Belle war völlig perplex. „Hier wollte ich nicht hin.“
Der Fahrer blieb ungerührt. „Mir wurde aufgetragen, Sie herzubringen, Ma’am.“
Sie lehnte sich in den Sitz zurück, während der Wagen weiter auf den erleuchteten Palast zufuhr. Dafür gab es nur eine logische Erklärung: Sie war hergebracht worden, um ihn zu treffen. Den Mann, den sie als Rafiq kannte. Der sich als der regierende Fürst von Q’aroum entpuppt hatte.
Der Mann, den sie seit Tagen zu vergessen versuchte.
Gab es eine Möglichkeit, diesem Treffen irgendwie auszuweichen? Nein, natürlich nicht.
Dawud, bekleidet mit einer langen Robe, trat auf den Wagen zu, sobald dieser anhielt, um Belle die Tür zu öffnen. Hastig fuhr sie sich noch einmal über das blonde Haar. Sie war kaum passend angezogen für eine Audienz beim Fürsten, aber das war ja nichts Neues. Immerhin war sie dieses Mal wenigstens angezogen.
Rafiq al Akhtar hatte ihr das Leben gerettet, sie schuldete ihm ihren Dank. Sein wissender Blick würde ihr peinlich sein, doch nach diesem Treffen brauchte sie ihn nie wiederzusehen.
„ Masa’a alkair, Miss Winters. Guten Abend.“
„ Masa’a alkair, Dawud. Es freut mich, Sie wiederzusehen.“ Er sah so ganz anders aus in fließendem Kaftan und mit Turban, dennoch fragte Belle sich, ob irgendwo zwischen den Falten wohl sein Dolch steckte.
„Kommen Sie bitte.“ Er deutete auf die großen Türen und geleitete sie in den Palast.
Als sie ihm durch die mit schneeweißem Marmor ausgelegte Halle folgte, hörte sie hinter sich die hohen Türen zuschlagen. Der Laut ließ sie zusammenzucken. Es klang fast, als hätte man eine Zellentür zufallen lassen. Belle reckte die Schultern und schalt sich für ihre überaktive Fantasie. Sie war keine Gefangene. Wegen eines kurzen Gesprächs mit dem Fürsten musste sie nicht gleich in Panik ausbrechen.
Dawud blieb schließlich vor hohen Flügeltüren stehen und klopfte an.
„Herein.“
Ihre Nackenhärchen richteten sich auf, als Belle Rafiqs Stimme erkannte. Diese Stimme hatte sie in ihren Träumen verfolgt. Manchmal hatte sie Trost in den samtenen Tönen gefunden, doch ebenso oft hatte diese Stimme sie erregt und sie aus einem unruhigen Schlaf auffahren lassen. Und dann hatte sie sich für ihre Schwäche gehasst.
Wie viel davon mochte auf ihre Einbildung zurückzuführen sein? Es war doch sicherlich unmöglich, dass ein Mann, ganz
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