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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
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nett. Du wirst ja wohl nicht mehr beim Singletanz dabei sein, wo doch dein Martin so ein Familienmensch ist. Bitte, Caroline, geh die Sache kopfmäßig an. Mach es ihm nicht so leicht. Versprochen? Sag mal, du hast doch wohl nicht mit ihm geschlafen?“
    Caroline antwortete nicht. Also hatte sie es. Ich wusste nicht, worüber ich wütender war: Darüber, dass ich nun eine Singlefreundin verloren hatte oder, dass wir Frauen in den mittleren Jahren zu kompromissbereit handeln. Und warum handeln wir kompromissbereit? Ist es die viel zitierte Torschlusspanik? Hatte ich nicht gerade die Erfahrung gemacht, dass ein gutaussehender jüngerer Mann an mir interessiert war? Immerhin, ich ging auf die Fünfzig zu. Insgeheim darf man darüber auch ruhig ein bisschen beunruhigt sein, aber keinesfalls sollte man dies nach außen hin präsentieren. Warum auch? Hatte ich deshalb weniger Spaß am Leben? Und was mein Liebesleben betraf: Ich fühlte mich wie gut ausgereifter Wein. Ich verstand Caroline nicht und musste mich darüber unbedingt mit meinen neuen Freundinnen austauschen. Außerdem brauchte ich ein Feedback, was Leon betraf.
    Nele hatte nur ihren Anrufbeantworter an.
    Doris rasierte sich gerade ihre Beine, wollte aber gleich zurückrufen. Es blieb beim Wollen. Irgendwie war der Abend verdorben.
    Im Fernsehen hatten alle Filme schon begonnen. Zum Putzen gab es nichts, zum Lesen hatte ich keine Lust, meine Beine hatte ich erst den Tag zuvor rasiert, die DVDs kannte ich alle in- und auswendig.
    Whisky hatte seine Schüssel leer gefressen und grunzte nun friedlich vor sich hin.
    Mir fiel plötzlich auf, dass mein Leben ziemlich trist war. Ich entkorkte eine Flasche Wein und saß nun trübsinnig vor meinem Glas. Was hätte ich darum gegeben, wenn mir jemand gegenüber gesessen und mit mir geredet hätte. Jemand Männliches. Nach dem zweiten Glas Wein beschloss ich, diesen Architekten mit dem seltsamen Namen Wollinger anzurufen. Natürlich hatte ich schon wieder einen Schwips. Nach dem ersten Rufton drückte ich die Verbindung weg. Der Mann musste denken, ich bin Alkoholikerin. Ein Glas Wein und zwei Zigaretten später drückte ich auf Wahlwiederholung.
    „Wollinger“, meldete er sich. Nur „Wollinger“, kein „guten Abend“ hinterher. Es klang verärgert und bissig. Ich wiederholte seinen Namen. Dazu holte ich die Vokale von ganz unten aus dem Bauch mit einer leicht rauchigen, fast flüsternden Stimme.
    „Das würde viel netter klingen, oder? Wer hat Sie geärgert, sagen Sie es mir, ich werde ihn verhauen.“
    Er lachte. Er hatte ein schönes Lachen, offen und herzlich.
    „Ich habe oft an Sie gedacht, Juliane. Ich hatte befürchtet, dass Sie mich vergessen haben. Wollen Sie mir nicht doch Ihre Telefonnummer geben?“, fragte er.
    „Vielleicht“, antwortete ich und zündete mir eine Zigarette an. „Sie rauchen schon wieder. Sie wissen doch, rauchen ist unerotisch.“
    „Vielleicht will ich ja unerotisch sein. Sie lenken vom Thema ab. Warum sind Sie verärgert? Mir hilft es immer, wenn ich über das, was mich belastet, reden kann. Ich rufe mein ganzes Telefonbuch ab, verteile meine Sorgen auf viele Schultern und fühle mich danach besser. Sie sind der typische Mann, nicht wahr?“
    „Wie ist denn der typische Mann?“
    „Sie ziehen eine Schublade in Ihrem Gehirn auf, stopfen dort alles hinein und irgendwann, wenn dort kein Platz mehr ist, schütten Sie alles aus. Dann fliegen die Fetzen. Überhaupt: Männer haben eine komische Logik. Mein Ex zum Beispiel hatte mir einst klar gemacht, dass ich Schuld sei, dass er sich sein Hemd mit Kaffee versaute. Es ist verständlicher, wenn ich es detaillierter erzähle. Beim Frühstücken schüttete er sich Kaffee übers Hemd, das nun bekleckert war und das hätte seiner Ansicht nach nicht passieren können, wenn ich ihm das Hemd nicht gekauft hätte. Im Klartext heißt das: Nicht seine Schussligkeit war Schuld, sondern die Tatsache, dass ich ihm sein Hemd gekauft hatte. Das ist doch irrational, oder? Dabei war ihm das ernst und er hielt sich etwa zehn Minuten mit dieser Debatte auf. Solange, bis mir der Kamm schwoll. Ich schüttete ihm den Rest Kaffee aus der Kanne über Hemd und Hose, versuchte ihm klar zu machen, dass seine These jetzt logisch wäre.“
    „Sie haben Temperament. Ich liebe temperamentvolle Frauen. Meine Frau war eher sanft und zerbrechlich, in keiner Weise belastbar.“ Er machte eine Pause, um kurz darauf zu sagen: „Sie hat eine Verfügung beim Jugendamt

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