Tausendundeine Stunde
unbedingt Singletanz sein? Das erinnert mich an Fleischbeschau“, fragte ich und schlug vor, lieber nobel Essen zu gehen.
„Sei froh, dass du deine zehn Kilo wieder abgespeckt hast. Nun komm schon, ich bringe zwei Freundinnen mit. Das wird ein lustiger Abend, wirst sehen.“
„Überredet“, antwortete ich und fügte hinzu, „es sind übrigens fünfzehn Kilo, die ich seit meiner Trennung von Georg abgenommen habe und diesen Luxuskörper sollte ich tatsächlich zur Schau stellen.“ Dass ich noch ein kleines Bäuchlein hatte, verschwieg ich. Aber dazu hatte ich ja meine Schlankstützhose im edlen Champagnerton mit quer eingearbeiteten Speckweg-Gummis.
Gleich nach dem Telefonat zwängte ich mich probeweise in dieses Folterteil und stellte fest, dass mein Po apfelmäßig gewölbt und mein Bauch küchenbrettförmig flach war. Das polierte mein Selbstwertgefühl auf. Dafür ignorierte ich gern das Gefühl, dass meine Galle wahrscheinlich bedrohlich dicht beim Magen klemmte und die Nieren vermutlich auch einen anderen Platz einnahmen.
Caroline hatte einen Tisch in unmittelbarer Nähe der Bar bestellt. Nicht ohne Berechnung, denn genau dort hielten sich fast ausschließlich die männlichen Singles auf. Diese wiederum hatten einen optimalen Ausblick auf die Tanzfläche, auf der sich bis etwa dreiundzwanzig Uhr fast ausschließlich die Frauen tummelten. So konnten beide Lager das Angebot sondieren und Blickkontakte aufbauen.
„Mädels“, stellte mich nun Caroline bei ihren Freundinnen vor, „das ist Juliane. Juliane, das ist Nele und das Doris.“
Nele streckte mir ihre Hand entgegen. Ich fand sie auf Anhieb sympathisch. Doris hatte den passenden Vornamen. Sie war so ein Doris-Day-Typ: Hübsch anzusehen, ein hintergründiges Lächeln auf den Lippen und bestimmt hatte sie Biss. Ich würde mich mit ihr gut verstehen. Allerdings stellte ich schon nach wenigen Minuten fest, dass sie auch ein wenig anstrengend war. Sie musste Dutzendweise diese diversen Beziehungsbücher verschlungen haben und hielt sich auch strikt daran.
„Denkt dran, Mädels, Männer mögen keine „Hach-keiner-hat-mich-lieb-Frauen“. Also, Lachen ist angesagt, zeigt denen da, dass wir uns auch prächtig ohne sie amüsieren können. Wer kommt mit aufs Klo?“
Die letzte Frage amüsierte mich. Warum müssen Frauen immer Grüppchenweise zum Klo rennen? Ich habe noch nie einen Mann den anderen fragen gehört: „Kommst du mit aufs Klo?“
Damit eine erste Unterhaltung in Gang kam, stellte ich diese Frage laut: „Warum ist das bei uns Frauen so? Ich meine, warum gehen wir immer im Doppelpack zur Toilette?“
Doris schaute mich mit ihren saphirblauen Augen an und lächelte. Es war so ein „Ach-du-Dummerchen-Lächeln.“ Dann legte sie ihre Hand auf meine Schulter: „Es existiert zwischen uns Freundinnen ein Ehrenkodex, der besagt, dass wir uns gegenseitig nicht unsere Favoriten ausspannen. Genau darüber tauschen wir uns auf der Toilette aus. Außerdem ist dort der beste Ort, um über Konkurrentinnen zu lästern.“
Ich nickte verständnisvoll.
Nele und Doris tingelten zum Klo.
Caroline klärte mich inzwischen über die beiden auf. „Doris ist Bibliothekarin. Sie ist neununddreißig und hat sich vor vier Jahren von ihrem Lebensgefährten getrennt. Die Beziehung war ihr zu eintönig. Seitdem lässt sie nichts anbrennen. Nele ist ’ne ganz verrückte Nudel. Manchmal frage ich mich, wie sie es packt, trotz allem so lebenslustig zu sein. Nele kenne ich schon ewig. Wir haben eine ganze Menge miteinander durchgestanden. Stell dir vor, sie war fünfmal schwanger und keines der Kinder hat sie behalten. Und, anstatt seiner Frau beizustehen, geht ihr Mann fremd. Nele hat ihn zum Teufel gejagt. Ich glaube, sie liebt ihn immer noch. Ah, da seid ihr ja wieder“, unterbrach Caroline nun unser Gespräch.
„O nein“, stöhnte Nele, „dreh dich bloß nicht um Doris. Dort steht dein Topfkratzer.“
Doris rollte mit den Augen und ich erfuhr in Kurzfassung, dass Topfkratzer ein verklemmter Mittvierziger war, der Spiegeleier körperlicher Liebe vorzog.
Die Spiegeleier bevorzugte er nachts um halb drei und nur aus einer sauberen Pfanne. Und weil ihm die Pfanne von Doris nicht sauber genug war, verlangte er einen Topfkratzer. Das wiederum veranlasste Doris, ihm das Ei auf den Kopf zu schlagen. Sie endete den Bericht mit dem Satz: „Dann schob ich ihn zur Tür hinaus, warf ihm seine Hose hinterher und kümmerte mich allein um meine vernachlässigte
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