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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
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Nürnberg. Dort angekommen begrüßte mich die Stadt mit Tränen. Es schüttete wie aus Eimern, sodass ich es vorzog im Bahnhofsinneren auf Dietrichs Ankunft zu warten. War das ein Omen? Nach einer Stunde Wartezeit rief ich Dietrich auf dem Handy an, aber er ging nicht ans Telefon. Immer wieder versuchte ich, ihn telefonisch zu erreichen. Allmählich machte ich mir Sorgen, das passte nicht zu Dietrich. Es musste etwas passiert sein, Unruhe ergriff mich. Mein Magen knurrte laut. Ich ignorierte es, denn Dietrich hatte mir noch am Abend zuvor am Telefon ein exzellentes Mahl bei Kerzenlicht und romantischer Musik versprochen.
    Nach knapp drei Stunden stand er vor mir. Er sah abgehetzt aus. Seine ausgeblichenen Jeans baumelten lose um seinen Hintern. Sein kariertes Hemd roch nach Schweiß.
    „Entschuldige“, sagte er „wie kann ich das nur wieder gut machen?“
    Ich lächelte verlegen, stellte mich auf meine Zehenspitzen, hoffte, dass er seinen Kopf nach unten senkt, mich zumindest auf meine Wangen küsst. Stattdessen streckte er mir seine Hand entgegen. Ich war enttäuscht, keine Rose zur Begrüßung, keine Umarmung.

    „Komm, gib mir deine Tasche. Wir müssen uns beeilen, ich stehe im Parkverbot“, sagte er und hastete davon. Ich eilte neben ihm her. Erst im Auto sprach er mich an: „Wie war die Fahrt gewesen? Sicherlich anstrengend und dann lasse ich dich auch noch so lange warten.“
    Ich antwortete nicht. Dieser Mann, mit dem ich monatelang am Telefon so vertraut war, war mir jetzt auf unerklärliche Weise fremd. Ich war enttäuscht. Mein Magen knurrte wieder laut, ich hüstelte, um es zu übertönen.
    Dietrich lachte: „Hunger? Wir sind gleich da. Dann koche ich uns etwas Leckeres.“
    Völlig aus dem Zusammenhang gerissen bemerkte er, dass meine Beine schön wären. Kurz darauf parkte er sein Auto, nahm mir die Tasche ab und lief voraus.
    „Komm“, ich zeige dir mein kleines Reich.“
    Der Korridor war ein kleiner quadratischer Raum, kaum Platz für eine Garderobe. Dafür stand eine ausgediente Schaufensterpuppe in der Ecke, behangen mit einem grasgrünen Kleid. Nun ja, solange er es nicht trug. Im Wohn-, Ess-, Arbeits- und Schlafzimmer deponierte er meine Tasche. Der Raum wirkte unorganisiert, chaotisch und doch anheimelnd im Gegensatz zur Küche. Dort gab es nur ein Standregal in dem sich Geschirr, Töpfe und Nahrungsmittel nebeneinander stapelten und einen Kühlschrank, der fürchterlich brummte, sonst nichts. Kein Abwaschbecken, keinen Tisch, keine Arbeitsfläche, nur zwei mobile Kochplatten.
    „Wie lange lebst du hier eigentlich schon?“, wollte ich wissen und erfuhr, dass es immerhin schon vier Jahre seien. Ich fragte mich, wo er das exzellente Essen vorbereiten wollte.
    „Oh“, sagte Dietrich „kann ich dich einen Moment alleine lassen? Ich muss noch rasch etwas einkaufen. Es dauert nicht lange, mache es dir inzwischen bequem.“
    Die Tür fiel ins Schloss. Ich fand keine Sitzgelegenheit, auf der man es sich hätte bequem machen können. Ich duschte in der Zeit und schlüpfte in meine Jeans. Danach schaute ich mir seine Bücher und die Fotos auf seinem Schreibtisch an. Was für ein Mensch war dieser Mann? Dort standen die Fotos von vielen verschiedenen Frauen, auch das von mir. Hatte ich etwa noch Fotos von Verflossenen herumstehen? Ich hörte ihn kommen.
    „Möchtest du ein Glas Wein?“, rief er mir beim Schuhe ausziehen zu.
    „Ja, doch eigentlich wollte ich dich erst einmal richtig begrüßen. Es war bisher alles so hektisch und so anders als ich es mir ...“ vorgestellt habe. Das Letzte sprach ich nicht aus.
    Er bückte sich zu mir herunter und umarmte mich: „Schön, dass du gekommen bist.“
    „Sind das deine Lieblingstanten?“ Ich drehte mich zum Schreibtisch.
    Dietrich lachte. „Nein, das sind Menschen, die mir viel bedeuten. Dein Foto steht auch dabei.“
    Ich korrigierte: „Das sind also Bilder von Frauen, die dir einmal viel bedeutet haben? Und welche ist Veronika?“
    Er nahm ihr Bild in die Hand, so als ob er es liebkosen
    wollte: „Das ist Veronika.“
    Warum hat er nicht gleich gesagt: „Das ist meine Veronika“? Es wäre ausreichend gewesen, wenn er nur mit dem Finger auf sie gezeigt und „das“ gesagt hätte.
    „Wenn du nichts dagegen hast, dusche ich kurz. Ach ja, der Wein.“ Er wieselte in die „Küche“ und kam mit einem Weinglas und einer Flasche Rotwein zurück.
    „Trinkst du denn nichts?“
    „Doch, ein Bier zum Essen.“ Danach ging er zum Duschen.
    Er

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