Tausendundeine Stunde
Hintern seiner Veronika. In meinem Film war es eine Herzenssache, so etwas können Männer nicht wirklich verstehen.
Ich war zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Ich hockte mich in meine Küche und kochte mir einen Tee. Irgendwie hatte Wollinger Recht. Wir kannten uns noch nicht einmal persönlich und ich reagierte völlig überzogen. Warum wollen wir Frauen immer alles oder nichts haben? Und während ich meine zweite Tasse Tee schlürfte, wurde mir klar, dass Mann und Frau das Wort Liebe gleichermaßen gebrauchen, aber eben unterschiedlich wahrnehmen. Ein Mann will lieben und trotzdem seine Freiheit behalten. Und Frau denkt: Wie kann ich diese Liebe am Lodern halten? Wie halte ich diesen Mann fest? Wollinger ist in Panik geraten. Schließlich habe ich ihm angeboten, dass ich meinen Fernseher mitbringe. Ich habe ihm unmissverständlich klar gemacht, dass ich zu ihm ziehen und mit ihm zusammenleben möchte. Ich wollte mit ihm auf der Terrasse liegen und Bücher lesen. Was bedeutet: kein Essen mehr mit Veronika, keine Telefonate mehr mit ihr. Aber wozu braucht er noch die Telefonate und das Essen mit Veronika? Bei all diesen Überlegungen stellte ich fest, dass ich mich schon jetzt vernachlässigt und nicht genug beachtet fühlte. Warum sagt er, dass ich eine kluge Frau bin und nicht: Ich mag dich, weil du eine kluge Frau bist? Für die Liebe gibt es nur das eine Wort: Liebe. Lebt die Liebe in zwei verschiedenen Welten? In der der Männer und in der der Frauen?
Nach der dritten Tasse Tee wurde mir klar: Ich wollte Wollinger festnageln. Er fühlte sich bedrängt und sah sich als Maus in der Falle. „Distanz“ leuchtete wahrscheinlich vor seinem männlichen Hirn auf. Vermutlich wurde ihm bewusst, dass er seine emotionale Unabhängigkeit verlieren könnte. Also erzählte er mir das mit dieser Veronika und verkaufte es auch noch so, als wolle er mich vor übereilten Überlegungen schützen.
Whisky lugte um die Ecke, etwas verschlafen und verwundert darüber, was ich um diese Zeit in der Küche trieb. Ich nahm ihn auf den Arm, seine Wärme tat mir gut. Nach kurzer Zeit wollte er seine Freiheit wieder haben und lag nun mit gebührendem Abstand vor mir. Er blinzelte mich an. „Ach“, sprach ich auf ihn ein, „so seid ihr Männer gestrickt. Verlange nicht zu viel Nähe, aber verlass mich nicht. Bleib bei mir, ohne etwas zu fordern. Mal sehen, wie du dich verhältst, wenn ich deinen Futternapf nicht mehr fülle. Vermutlich büchst du aus und suchst dir ein neues Frauchen, das dich bemuttert.“
Whisky spitzte ab und zu seine Ohren, wenn ich meine Tonlage änderte und hielt weiterhin Abstand. Ich schmunzelte und dachte nach. Kein Wunder, dass sich Mann mit der Zeitung unterm Arm aufs Klo zurückzieht, um zehn Minuten Ruhe vor diesen „Frauchen-Manieren“ zu haben. Georg hatte sich sehr oft zurückgezogen. Leon hat von Anfang an die Notbremse gezogen und Wollinger ist dabei, diese zu ziehen. Sind wir Frauen alle Mütter? Mütter, die bemuttern? „Schatz, du solltest dir die Brille putzen.“ „Du hast Butter am Kinn:“ „Iss nicht so scharf, das bekommt dir nicht.“ „Zieh doch bitte das andere Hemd an.“ Na ja und so weiter. Bin ich eine bemutternde Mutter? Ich warf Whisky ein paar Käseröllchen zu und erkannte, dass das Leben kompliziert ist.
Männer entwickeln einen „Selbsthilfemechanismus“. Spätestens dann, wenn sie sich vereinnahmt und beengt fühlen, treten sie die Flucht an. Sie tun das direkt oder auf Umwegen. In der technisch fortgeschrittenen Zeit ist Umweg Nummer eins zum Beispiel der Computer. Auf diese Weise ist der Mann präsent, aber nicht zugänglich. Nicht zugänglich für die Bedürfnisse von uns Frauen. Schließlich wollen wir die Nummer eins im Leben unseres Auserwählten sein. Ich hatte mir Wollinger in den Kopf gesetzt. Er sollte ganz mir gehören, ich wollte ihn um keinen Preis mit dieser Veronika teilen. Ich rief ihn früh um fünf Uhr an.
Es dauerte mehrere Sekunden, ehe er ans Telefon ging. Schließlich meldete er sich verschlafen und verärgert zugleich mit seinem barschen „Wollinger.“
„Du wolltest doch wissen, was ich trage. Deine Hormone spielen verrückt, wenn ich dir das jetzt sage.“
Ich hatte lang genug auf der Hotline gearbeitet, also legte ich mich jetzt so richtig ins Zeug. Ich war in Bestform. Davon profitierte Wollinger und am Ende unseres Gesprächs, wenn man das so nennen kann, fragte er völlig relaxt: „Juliane, würdest du mir den Slip schicken, den
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