Tausendundeine Stunde
rief er aus dem Bad: „Ich habe übrigens zwei Tage nach dir Geburtstag, aber an meiner Zahl hängt kein „zig“ dran. Ich werde erst im nächsten Jahr fünfzig.“
„Ergo, feiern wir unsere Geburtstage zusammen, die Woche darauf. Einverstanden? Von mir aus auch mit deiner Familie.“
„Gut“, rief er zurück, aber wer ist eigentlich Ergo? Kenne ich den und muss der mitfeiern?“
Das war eine gute Gelegenheit, um ihm von Dietrich zu erzählen.
„Der Typ hat dich ganz schön verladen. Hast du denn nicht gemerkt, dass er dich nur für gewisse Dienste benutzt hat? Du bist ganz schön naiv.“ Sein Tonfall klang verärgert.
„Nein, das habe ich nicht gemerkt und ich bin lieber naiv als ausgekocht. Wieso spulst du dich eigentlich so auf?“, antwortete ich ebenso erregt.
„Weil ich nicht will, dass dich jemand verletzt.“
„Wahrscheinlich hast du Recht. Dennoch: Nichts im Leben ist so schlecht, dass es auch für irgendetwas gut wäre. Sieh mal, dieser Mann hat bewirkt, dass ich mich nicht gleich wieder dem erst besten Mann an den Hals geworfen habe. Wahrscheinlich hätte ich wieder jede Menge Kompromisse geschlossen und über kurz oder lang wäre ich erneut unglücklich gewesen. Obwohl: Hätte ich die Tränen aufgefangen, die ich wegen diesem Telefonfreak vergossen habe, so hätte ich mühelos eine Badewanne füllen können. Weißt du was?“
„Nein“, antwortete Flo und streichelte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Als ich endlich über diesen Kerl hinweg war, hatte ich ein interessantes Buch gelesen. Eigentlich kam es mir ziemlich albern vor, denn der Autor des Buches empfahl Dinge, die man haben möchte, zu leben. Wie lebt man denn Dinge, die man nicht hat? Aber schließlich habe ich es versucht. Immer, wenn ich mit meinem Auto an der Ampel stand und mich so ein total gut aussehender „Marlboro-Mann“ anlächelte, dachte ich mir, dass ich nur so einen Mann haben will.“
„Ja, das hat doch funktioniert, du hast mich kennen gelernt“, grinste Florian und zog mich an sich.
„Ich weiß nicht, du siehst ihm so gar nicht ähnlich. Aber du hast schon Recht. Denn irgendwann habe ich mich gefragt, was ich mit so einem super coolen Typen will. Den hätte ich doch nie für mich allein. Also habe ich mir fest gewünscht, dass ich einen Mann kennen lerne, dem ich wichtig bin. Jeden Abend, kurz vor dem Einschlafen, habe ich mir vorgestellt, wie mich mein Mann auf Händen trägt. Allmählich habe ich schon selbst daran geglaubt, so einen Mann zu haben. Und jetzt habe ich dich. Ich bin dir wichtig, nicht wahr? Du musst mir nicht antworten, ich sehe in deinen Augen, was du denkst und fühlst.“
Am nächsten Tag holte mich Florian mittags von der Arbeit ab. Er lud mich zum Chinesen ein, half mir aus dem Mantel und brachte ihn zur Garderobe. Ein Mann sprach ihn an, deutete dabei mit dem Arm auf mich. Florian grinste und kam zurück.
„Was gab es denn da?“
„Nichts.“
„Klar, ich habe es doch gesehen. Wieso zeigte der Typ auf mich? Sage es mir, los. Sonst fange ich an wie ein unartiges Mädchen zu greinen. Dann guckt das ganze Lokal auf uns.“
Er hob entwaffnend die Hände und erzählte mir, dass der Mann meinte, dass die Kavaliere doch noch nicht ausgestorben seien und dass er so einer Frau, wie ich es wäre, auch aus dem Mantel helfen würde.
„Und das soll ich dir glauben? Egal, essen wir ein Menü für zwei Personen? Ach ja, und erklärst du mir, was du eigentlich beruflich so machst. Ich kann mit diesem HF nämlich nichts anfangen.“ Dann lachte ich. Ich hatte seine Denk- und Sprachweise übernommen. Das fiel mir schon bei anderen Begebenheiten auf. Ich hopste, so wie er, von einem Thema zum anderen.
„So, nun lass mich einmal sortieren. Erstens, du kannst das beruhigt glauben, das hat der Mann tatsächlich so gesagt. Zweitens: Ich schlage vor, wir essen verschiedene Gerichte, dann kannst du von meinem Essen kosten und ich von deinem. Und HF steht für Hochfrequenz. Ich bin Hochfrequenz-Elektroniker.“ Er legte seinen Autoschlüssel auf den Tisch: „Siehst du, das ist zum Beispiel so ein Metier.“
Ich sah ihn ungläubig an: „Wieso braucht man, um einen Schlüssel herzustellen, einen Doktortitel? Reicht da nicht eine Ausbildung als Schlosser oder so?“
Florian atmete tief durch. „Ich rede ja auch nicht vom Schlüssel an sich, sondern von Hochfrequenzen, etwa um die drei Megahertz. Die Hochfrequenzelektronik beschäftigt sich vorwiegend mit der Erzeugung oder dem Empfang
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