Tausendundeine Stunde
uns“, sagte er „Sie gehören diesem netten Damenquartett an. Sind Sie Chorschwestern?“
Ich lachte: „Da vorn müssen Sie links abbiegen. Wie kommen Sie darauf, dass wir Chorschwestern sind? Diesen Ausdruck höre ich heute zum ersten Mal.“
Er antwortete, dass ihm Chorschwestern lieber seien, als Betschwestern. Er käme darauf, weil wir in diesem Restaurant so durcheinander geredet hätten, ähnlich wie beim Singen eines Kanons.
Ich schmunzelte. „Da vorne wohne ich, Sie können gleich hier parken.“
Er stieg aus, öffnete mir die Wagentür, griff nach dem Karton und stellte ihn ab. Ich reichte ihm die Hand und bedankte mich. „Wie, war das schon alles?“, fragte er verblüfft. Dabei riss er seine Augen weit auf. Sie waren blau. Das Blau eines Sommerhimmels.
„Sie haben Recht. Ich lade Sie auf eine Tasse Tee ein. Ich heiße übrigens Juliane.“
Er schnappte sich den Karton und lief vor mir. Er hatte einen wohlgeformten Po. Beim Hochsteigen der Treppe fragte ich ihn, ob er Katzen mag. Er antwortete, dass er Katzen mag, es wäre allerdings eine Frage der Zubereitung. Humor hatte er also auch. Ich schloss die Tür auf und bat ihn einzutreten.
Beim Abstellen der Lebensmittel schaute er sich um. „Nett hier, schöner Ausblick. Ich heiße Florian.“
Ich lachte.
„Finden Sie diesen Namen albern?“
Ich entgegnete ihm, dass ich den Namen keinesfalls albern fände, aber dass mir aufgefallen sei, dass er die Sätze immer so aus den Zusammenhang gerissen aneinander reihte. Mein Magen knurrte.
„Ich habe Hunger. Möchten Sie mit mir essen? Katze gibt es allerdings nicht. Kann ich Ihnen inzwischen etwas zu trinken anbieten?“
Jetzt lachte er.
„Und Sie plappern wie ein Wasserfall. Ich habe gar keine Chance auf Ihre Fragen zu antworten. Ich würde gern mit Ihnen essen. Ein Wasser wäre nicht schlecht.“
Ich stellte ihm ein Glas hin und bückte mich, um das Mineralwasser aus dem Schrank zu holen.
„Ach, wissen Sie, lassen Sie das mit dem Wasser. Wenn ich mir vorstelle, dass Sie die schweren Flaschen bis in den vierten Stock schleppen müssen, da möchte ich Ihnen nichts wegtrinken. Ich koche mir lieber einen Kaffee. Wo haben Sie den stehen?“
„Sie sind bestimmt ein emanzipierter Junggeselle. Oder trauen Sie mir nicht zu, Kaffee kochen zu können? Mögen Sie ihn stark?“
Der Kaffee war aufgebrüht. Ich stellte ihm die Tasse hin, dabei hatte ich das Gefühl, als hätte ich das schon Hunderte von Malen für ihn getan. Wir betrachteten uns schweigend. Wärme durchflutete meinen Körper, es war keine Hitzewallung. Vertrautheit lag in der Luft, eine unerwartete Intimität. Das irritierte mich. Die Liebe hatte mich zu oft mit einem linken Haken zu Boden geworfen. Ich hatte mir geschworen, künftig für eine bessere Deckung zu sorgen.
Ich unterbrach die Stille: „Ich mache mich mal ans Essen und hoffe, Sie mögen Spaghetti mit Tomatensoße.“
Er nickte. Ich setzte das Wasser für die Nudeln auf, legte mir ein Schneidebrett und ein Messer zurecht. Die Zwiebeln waren noch im Einkaufsbeutel verstaut.
„Oh, ich habe ganz vergessen den Einkauf wegzuräumen.“ Während ich anfing, die Sachen einzuräumen, nahm er sich das Schneidebrett und legte die Zwiebeln daneben.
„Wo haben Sie einen Messerschärfer?“, fragte er.
„In der Schublade rechts“, antwortete ich und sah ihm zu, wie er das Messer schärfte. Wir kannten uns seit etwa zwei Stunden und hantierten gemeinsam in der Küche. Er hatte die Zwiebeln geschnitten und fragte nach dem Mülleimer.
„Dort“, zeigte ich mit dem Finger in die Ecke. Er warf die Schalen hinein und reinigte anschließend das Messer und das Schneidebrett.
„Lieben Sie es scharf? Ich würze immer gern mit Peperoni.“
Er nickte erneut. Das Essen war fertig. Ich griff zum Topf und wollte die Nudeln abgießen.
„Lassen Sie mich das machen. Ich habe Angst, dass Sie sich verbrühen“, sagte er und lächelte mich an.
Ich zuckte mit den Schultern und rückte beiseite. Sah ich ungeschickt aus oder war es sein Beschützerinstinkt? Während des Essens erfuhr ich, dass er in Scheidung lebte und vorübergehend bei seiner Mutter wohnte. Wir erzählten und erzählten, einigten uns, uns zu duzen und bemerkten gar nicht, dass es allmählich dunkel wurde. Es schneite. Ich hatte das Gefühl, dass der Schnee durch Florians Nähe weißer und anmutiger war als je zuvor. Ganz tief in mir machte sich ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit breit. Whisky hatte Florians Füße
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