Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
Vom Netzwerk:
ein Alphamännchen gewesen – und ich hatte ihm nicht den Respekt gezeigt, den er als Alphamännchen erwarten durfte.
    »Und?«, sagte ich. »Ist noch was?«
    »Ich krieg ja wohl noch Geld raus, oder? Ich hab dir einen Fuffi gegeben. Willst du mich bescheißen? Hast du gedacht, ich merk das nicht?«
    »Na klar«, sagte ich verächtlich, »du kriegst Geld raus. Sollst du haben. Deswegen brauchst du hier nicht den Max zu machen.«
    Er nahm die beiden Zwanzig-Mark-Scheine, die ich ihm reichte, und während ich noch dabei war, mein Portemonnaie wieder zu verstauen, holte er kaum merklich aus und schlug mir die Faust ins Gesicht. Man sieht tatsächlich Sterne. Rote, blaue und farblose. Es war ein unglaublicher Schock, eine Beleidigung von einem Ausmaß, wie ich das nie für möglich gehalten hatte, wenn ich Leute sich auf der Straße puffen und stoßen sah. Ich wollte ihn sofort töten. Aber als ich in meine Jackentasche griff, bekam ich bloß einen Lippenstift zwischen die Finger.
    »Okay, jetzt ist gut, nich?«, sagte er und stieg aus. Ich sah immer noch Sterne und wedelte nur mit der Hand Richtung Beifahrertür.
27
    Zwei Zivilpolizisten begleiteten mich von der Davidswache zurück zum Goldenen Handschuh. Sie trugen gefütterte Jeansjacken und beutelnde Karottenhosen und hatten Verbrechergesichter. Ich stapfte neben ihnen her durch den Schneematsch.
    »Wie sah er denn aus?«, fragte der eine.
    Ich versuchte, mich zu erinnern. Auch das aggressive Lumpenproletariat bestand schließlich aus Individuen, jedes mit einer einzigartigen Persönlichkeit und einem unverwechselbaren Äußeren. Bloß hatte ich es während der ganzen Fahrt vermieden, meinen Fahrgast anzuschauen. Und dann mein schlechtes Gedächtnis. Und den letzten Eindruck hatte der Faustschlag ausgelöscht.
    »Groß«, sagte ich. »Richtig groß und schwer.«
    »Er hatte eine Knastträne, rechts«, fiel mir noch ein. »Und braune Haare. Braune, fettige Haare, und einen Bart glaube ich, so ums Kinn rum – oder Vollbart.«
    Der Goldene Handschuh war gestopft voll mit Männern, auf die diese Beschreibung zutraf. Männer, die bereit waren, sich schon wegen geringfügiger Rangstreitigkeiten dem Risiko ernster Verletzungen auszusetzen. Einen solchen Ort aufzusuchen, hieß, gegen die elementaren Regeln des Selbsterhaltungstriebes zu verstoßen. Die beiden Zivilpolizisten waren deutlich kleiner als die meisten hier. Sie waren sogar kleiner als ich.
    »Ist es der?«
    »Oder der?«
    Ich schüttelte den Kopf. Aber dann sah ich ihn durch den ganzen Zigarettenqualm hindurch. Ohne Zweifel, das war mein Fahrgast. Allerdings hatte er blonde Haare und überhaupt keinen Bart. Wie man sich doch täuschen konnte. Die beiden Polizisten sagten ihm, dass er mit ihnen hinauskommen sollte, und zu meinem Erstaunen ging er friedlich mit. Ich empfand es als ungeheuer erleichternd, den Goldenen Handschuh wieder zu verlassen, und sog dankbar die feuchte, kalte Luft ein.
    »Haben Sie eben diese Frau geschlagen?«
    Er sah mich glasig an, schmatzte mit den Lippen und lächelte.
    »Was soll das heißen? Heißt das ja?«
    Er lächelte wieder, schwankte und stabilisierte sich mit einem Schritt nach rechts.
    »Würden Sie dann bitte mit uns zur Wache kommen?«
    Im selben Moment fing er an zu brüllen und um sich zu schlagen. Einer der Polizisten griff zu und drehte ihm den linken Arm auf den Rücken, wo ihm der andere Polizist schon den rechten entgegenhielt. Sie waren ein eingespieltes Team. Die Handschellen rasteten ein.
    »Was soll das?«, brüllte der Mann. »Ich hab die Schlampe nicht geschlagen. Hab ich nicht.«
    Als wir in die Davidswache kamen, stand dort der Revierleiter leicht erhöht hinter einem Tresen. Vor ihm lag ein mächtiges Buch aufgeschlagen, in das er die Sünden der Menschen notierte. Auf einer Bank an der Wand warteten drei Jungs in Trainingsanzügen und ein älterer Herr, der sich einen blutigen Lappen an die Schläfe drückte. Um seine Stiefel und die Turnschuhe der Jungen hatten sich braune Pfützen gebildet.
    »Und jetzt,«, brüllte mein Fahrgast mit unveränderter Lautstärke, »was wollt ihr jetzt machen? Hah! Ihr wisst doch gar nicht, was ihr jetzt mit mir machen sollt. Ihr wisst doch gar nicht, was für Maßnahmen ihr treffen müsst.«
    Alle Gesichter wandten sich ihm zu. Als Letzter hob der Revierleiter langsam den Kopf und sah von seinem Buch auf.
    »Maßnahmen? Sie wollen Maßnahmen?«, fragte er sanft. Und dann zu den beiden Zivilpolizisten:
    »Sperrt ihn

Weitere Kostenlose Bücher