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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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große Plüschtiere auf die Verkehrsinseln setzen und niemand würde sie wegnehmen, außer wenn zufällig einmal ein randalierender Mann herüberkäme. Wahrscheinlich würden die Frauen das Elend in den Männerslums irgendwann nicht mehr mit ansehen können, und sie würden freiwillige Putzkolonnen hinüberschicken. Die Putzkolonnen müssten dann weiße Sicherheitsanzüge tragen wie nach einem Reaktorunfall, und wenn sie aus den Männerstadtteilen zurückkämen, müssten sie zuerst durch eine Schleuse mit Desinfektionsduschen. Diese Desinfektionsschleusen zwischen den Stadtteilen wären überhaupt wichtig, damit die Männer nicht ihr ganzes Ungeziefer und ihre Bakterien mit in die kleine pastellfarbene Welt der Frauen trügen. Ich überlegte, in welchen Stadtteilen das Leben grässlicher wäre, und konnte mich nicht entscheiden.
25
    Im Herbst zog auch mein Bruder aus der Gartenlaube aus. Wahrscheinlich fürchtete er sich vor einem weiteren Winter. Ich dachte, dass es eine gute Idee wäre, zur Einweihungsfeier seiner neuen Wohnung zu gehen. Durch das Taxifahren hatte ich den Kontakt zu allen früheren Freunden verloren. Meine Telefonrechnung bestand aus der Grundgebühr, und die Einzige, die anrief, war meine Mutter, um zu sagen, dass meine Wäsche fertig sei. Post bekam ich auch nicht. Nicht einmal Werbebriefe. Ich hatte es verratzt. Einmal falsch abgebogen, einmal den falschen Beruf gewählt, einmal den falschen Mann geküsst und dein ganzes Leben war verkorkst. Auf dem Fest meines Bruders würde ich wenigstens ein paar Menschen sehen, die ich von früher kannte, aus der Zeit, als ich noch nicht Taxi gefahren war. Die ganze Nachtschicht würde ich deswegen natürlich nicht ausfallen lassen; das hätte einen Verlust von hundert bis hundertfünfzig Mark bedeutet. Welches Fest war das schon wert?
    Ich machte ein paar Touren von sechs bis acht, dann fuhr ich in die Schwenckestraße und stellte den Zwodoppelvier in einem trocken raschelnden Laubhaufen ab, den jemand auf einen Parkplatz gekehrt hatte. Ich hielt nach der Hausnummer 33 Ausschau und drückte auf die Klingel. Um zehn oder zwölf würde ich wieder ins Taxi steigen, je nach dem, wie gut die Party war. Die meisten Freunde meines Bruders kannte ich noch aus der Schulzeit. Sie waren zwei Klassen unter mir gewesen. Jetzt studierten sie Jura oder Medizin. So viele Kranke und Verbrecher gab es gar nicht. Einige studierten auch BWL. Als ich hereinkam, redeten sie über Aktien.
    »He, Alex«, rief ein Blonder mit Nussknackergesicht, dessen Namen ich vergessen hatte. »Warst du gerade in Marokko? Miriam sagt, dass sie dich in Marokko gesehen hat.«
    »Nein. Ich war nicht in Marokko«, antwortete ich. »Da würde ich auch nie hinfahren. Ich bin nicht gern in Ländern, in denen die Einwohner deutlich weniger Geld verdienen als ich.«
    »Na, dann kannst du ja überallhin«, sagte mein Bruder.
    Ich gab ihm sein Geschenk, Hotel New Hampshire , ein Buch, das Dietrich mir für solche Fälle empfohlen hatte, und ging erst einmal in die Küche, um mir die Hände zu waschen. Mein Bruder hatte sich allen Ernstes eine Einbauküche angeschafft. Ich sah zu, wie die nikotingelben Schlieren ins glänzende Spülbecken liefen, trocknete mich an einem Geschirrhandtuch ab und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Da standen sie alle und tranken Bier und taten, als wäre die Welt bestens eingerichtet. Die Frauen tranken Sekt. Lieber ein Leben lang Taxi fahren, als so sein wie die. Auf einem schwarzen Ledersofa saß Michael, der beste Freund meines Bruders. Ein hübscher Jura-Student mit braunen Locken und einem breiten Mund.
    »He, Alex«, rief er und winkte, »klasse, dass du da bist. Komm her und erzähl mal eine von deinen Taxi-Storys.«
    Er rückte auf dem Sofa etwas zur Seite, um zwischen sich und einem stark geschminkten Mädchen mit Dallas-Frisur Platz zu machen. Vor einem Jahr hatte er mich einmal gefragt, wie es sei, Taxi zu fahren; und weil ich damals gerade erst angefangen und immer noch unter diesem Druck gestanden hatte, alles erzählen zu müssen, hatte ich eine Geschichte nach der anderen vor ihm ausgebreitet. Das bereute ich jetzt. Ein Junge in einem grauen Sakko und mit einem Weinglas in der Hand stellte sich zu mir.
    »Echt, du fährst Taxi? Erzähl doch mal!«
    Mir wurde klar, was er und alle anderen in diesem Raum in mir sahen – einen Freak, ein schrulliges Original, das Auskunft geben konnte über eine Welt, mit der ein angehender Rechtsanwalt sich erfreulicherweise erst

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