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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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was ich denn studieren würde«, sagte Dietrich schnell. »Und dabei kucken sie mich so dummschlau an, als würden sie mich ganz und gar durchschauen.«
    »Ja, mich auch«, fiel Rüdiger ein. » Taxifahren , sage ich dann. Das geht die doch nichts an, dass ich Philosophie studiere.«
    Udo-Dreidoppelsieben und ich waren die Einzigen, die nicht studierten. Sogar Dietrich war offiziell für Südseesprachen eingeschrieben.
    »Und als Prüfung wird am Ende eine echte Taxifahrt veranstaltet«, spann Taximörder seinen Anfangsgedanken fort, »wo ich das Verhalten des Prüflings gegenüber seinem Fahrer bewerte.«
    Er holte einen Becher Buttermilch aus seiner Jackentasche, biss mit den Vorderzähnen einen Schlitz in den Stannioldeckel und begann, daran zu saugen.
    »Du trinkst noch Milch?«, fragte Rüdiger. »Weißt du nicht, dass die radioaktiv belastet ist? Die ist total belastet. Kein Mensch trinkt mehr Milch.«
    »Na und – dann könnte ich ja die nächsten zwanzig Jahre keine Milch mehr trinken«, sagte Taximörder und zutzelte weiter.
    »Außerdem werde ich auch ständig gefragt, wie alt ich eigentlich bin«, fiel mir noch ein. »Oder die fragen: Seit wann dürfen Teenager Taxi fahren .«
    »Es ist auch nicht normal, dass du so jung aussiehst«, sagte Rüdiger. »Wenn jemand auffallend jünger aussieht, als es seinem Alter entspricht, dann ist meistens auch die geistige Reife verzögert.«
    Ich verstand selber nicht, wieso ich immer noch wie achtzehn aussah. Vermutlich lag es daran, dass Dietrich auf Achtzehnjährige stand. Ich machte ja immer alles so, wie er es wollte. Oder vielleicht brauchte man auch nicht zu altern, wenn man nicht lebte.
    »Das ist aber sowieso bald vorbei mit dem jünger aussehen«, fuhr Rüdiger fort. »Frauen altern nämlich wesentlich schneller als Männer. Das ist die Strafe dafür, dass sie so bösartig sind.«
    »Völlig falsch«, sagte ich, »das kommt einem bloß so vor. In Wirklichkeit altern Männer schneller. Das kannst du bei Transsexuellen sehen. Männer, die sich in Frauen umoperieren lassen, wirken danach deutlich älter, während Frauen, die sich in Männer operieren lassen, hinterher für zehn bis fünfzehn Jahre jünger durchgehen.«
    »Du kennst dich aber gut aus«, sagte Rüdiger. »Ist das dein Ding, Transsexualität? Wolltest du als kleines Mädchen immer lieber ein Junge sein, ja?«
    »Eigentlich ist eine Prüfungsfahrt zu wenig«, sagte Taximörder und wischte sich den Mund. »Die müssen mindestens zehn Taxifahrten bestehen, bevor sie eine Zulassung als Fahrgast bekommen.«
32
    Morgens um elf klingelte plötzlich das Telefon. Ich erschrak mordsmäßig, weil mein Telefon ja praktisch nie klingelte. Meine Mutter konnte es nicht sein. Ich hatte ihr erst gestern die Wäsche gebracht. So schnell wurde die nicht fertig. Es war Marco. Seltsamerweise hatte ich selber auch schon daran gedacht, ihn anzurufen. Nur dass ich seine Telefonnummer nicht kannte und mich auch nicht an seinen Nachnamen erinnern konnte. Mein Gedächtnis war wirklich sehr schlecht.
    »Ich würde unser Gespräch gern fortsetzen«, sagte Marco, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Dabei war unsere Begegnung in der Buchhandlung schon drei Wochen her. Er wollte sich mit mir in einem Café treffen. Ich sagte, dass ich lieber bei ihm vorbeikommen würde.
    »Heute. Zwischen acht und zehn hab ich Zeit«, sagte ich. »Da läuft das Geschäft sowieso schleppend.«
    Marco nannte mir seine Adresse. Er wohnte gar nicht weit weg. In der Schanzenstraße beim Pferdemarkt.
    »Wollen wir nicht doch lieber zuerst irgendwohin gehen? Sieht nicht so besonders doll aus bei mir.«
    »Nein«, sagte ich, »ich weiß ja gar nicht genau, wo ich um acht Uhr mit der Taxe sein werde. Vielleicht musst du eine halbe Stunde auf mich warten.«
    »Macht mir nichts aus«, sagte Marco.
    »Trotzdem. Lieber bei dir. So gegen acht.«
33
    An der Bushaltestelle des Gänsemarkts winkte mich eine Familie in praktischen blauen Regenjacken heran. Langsam – um sie nicht nasszuspritzen – ließ ich das Taxi in einer Pfütze ausrollen. Der Vater setzte sich neben mich und schlug seine Kapuze zurück. Er hatte Haare auf den Handrücken und in den Ohren. Hinten nahmen seine Frau, seine Tochter und die Oma Platz. Sie wollten zum Hafen, ein italienisches Segelschulschiff anschauen. Wir waren gerade die ersten paar Meter gerollt, da legte der Vater los:
    »Das ist die Mönkebergstraße«, sagte er und zeigte aus dem Fenster, »Hamburgs teuerste

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