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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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ein dubioser Kunde, bei dem nie eine Adresse angegeben wurde. Stattdessen musste man unter einer Brücke warten.
    »Da geht ja immer das Gerücht, das wäre ein Club, in dem sich Frauen aus der Oberschicht hobbymäßig prostituieren«, sagte Dietrich, »aber wahrscheinlich ist das ein ganz normaler Puff, bloß dass der auch mitten in einem Wohngebiet liegt.«
    »Hobbymäßig?«, fragte ich. »Kann es sein, dass ihr die angenehmen Seiten der Prostitution überschätzt?«
    »Ich glaub das auch nicht, das mit der Oberschicht«, sagte Taximörder. »Kein Puff würde sich weigern, ein Mädchen einzustellen, das wie ein Model aussieht, bloß weil es kein Abitur hat.«
    Die Fahrgäste strömten jetzt aus dem Bahnhof, und obwohl sie sich nicht die Blöße gaben zu rennen, sah man doch, wie sie einander zu überholen versuchten, weil nicht genug Taxis da waren. Eine Frau mit einer Gießkanne stieg bei mir ein. Sie wollte zum Hermann-Löns-Weg.
    »Wo ist der noch mal? Ich fahr hier oben nicht so oft«, sagte ich.
    »Erst mal die Langenhorner Chaussee hoch«, antwortete sie. Ich schaltete den Taxameter ein.
    »Mir tut ja bloß der Zugführer leid«, sagte die Frau.
40
    Dietrichs Tagfahrer war krank. Deswegen musste Dietrich sein Taxi in der Firma abholen. Er fuhr mit seinem Ford hin.
    »Ich kann dich mitnehmen«, bot er an. Bis zum Fernsehturm lief alles ganz normal, aber dann bog er plötzlich Richtung Dammtor ab.
    »Was soll das denn«, sagte ich. »Wieso fährst du nicht zur Firma?«
    »Ich hab Rüdiger versprochen, ihn mitzunehmen.«
    »Ich denk, der wohnt in Dulsberg? Du willst doch jetzt nicht durch den Feierabendverkehr nach Dulsberg?«
    »Ach, das geht schnell«, sagte Dietrich.
    Ich hätte mein Fahrrad nehmen sollen. Jetzt würde ich wieder den besten Teil des Taxigeschäfts verpassen. Ich sah aus dem Fenster. Große Mengen von Studenten strömten vom Dammtorbahnhof auf die Universitätsgebäude zu. Wahrscheinlich gab es irgendein Fest im Audimax.
    »Ich frag mich, ob du das mit Absicht machst«, murrte ich. »Soll ich mir Rüdigers bescheuerte Meinungen jetzt auch noch vor der Arbeit anhören?«
    »Was du immer mit Rüdiger hast«, antwortete Dietrich gereizt. »Wieso springst du da immer drauf an, wenn der was sagt? Das will der doch bloß. Lass ihn doch einfach reden.«
    »Ich verstehe nicht, warum das dein Freund ist«, sagte ich. »Bloß weil er dich bewundert?«
    »Ach was. Rüdiger war schon immer so, und wir kennen uns halt auch ewig. Auf der Schule war das der einzige interessante und kluge Kopf weit und breit. Rüdiger ist unheimlich belesen. Der kennt echt jedes Buch.«
    »Aber der hasst Frauen.«
    »Nein, Quatsch. Du darfst ihn bloß nicht ernst nehmen. Niemand nimmt Rüdiger ernst. Der war halt schon immer extrem. Ich weiß noch, wie der mal nachts mit seiner Freundin in eine Kirche eingebrochen ist, und dann hat er Fotos von ihr gemacht, wie sie mit gespreizten Beinen auf dem Altar lag. Mit dem Kruzifix zwischen den Schenkeln. Da war der gerade mal sechzehn. Der ist einfach total extrem.«
    »Ich sag doch, der hasst Frauen.«
    »Was hat das denn damit zu tun? Der ist halt extrem. Ich weiß nicht, warum du dich immer mit ihm streiten musst. Hör da doch einfach nicht hin.«
    Es war schon nach sechs, als wir im Eulenkamp vorfuhren. Dietrich parkte ein und stieg aus. Ich stieg mit aus. Ich war neugierig, wie es bei Rüdiger aussah.
    Er lebte in einer Wohngemeinschaft. Sein Zimmer war klein und dunkel. Antike Möbel aus geschwärztem Holz standen vor einer grün-auf-grüngemusterten Tapete. Über sein Bett hatte er einen dünnen orientalischen Teppich gelegt. Darüber hing in schwerem schwarzem Rahmen das Bild von einem Löwen, der gerade einen Büffel riss. An einer anderen Wand hing, ebenfalls schwarz gerahmt, die Toteninsel von Böcklin. Auf dem schwarzen Beistelltisch darunter stand ein silberner Teller, auf dem ein orientalischer Dolch und eine Pistole lagen. Rüdiger kam uns mit einem Kunstkatalog in den Händen entgegen.
    »Hier«, sagte er zu Dietrich und schlug eine Seite auf, in die er zuvor seinen Zeigefinger als Lesezeichen gesteckt hatte, »kuck dir das an. Jetzt kassiert Keith Haring das große Geld. Wenn du mit deinen Sachen früher rausgekommen wärst, wärst du für alle Zeiten saniert. Aber nein, ich durfte ja keine Ausstellung für dich machen.«
    Ich schaute Dietrich über die Schulter. Rüdiger hielt den Katalog absichtlich so, dass ich nichts sehen sollte, aber ein Bild entdeckte ich

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