Taxi
vollgeklebt hast. Die durfte ich dann alle abkratzen. Denkst du, das macht mir Spaß?«
»Tut mir leid«, sagte ich, »kommt nicht wieder vor.«
»Ich fahr da jedenfalls nicht hin.«
Dietrich verschränkte die Arme.
»Mußt du aber«, sagte Mergolan, »sonst verlierst du deinen Taxischein.«
»Ist mir egal. Ich mach das nicht«, sagte Dietrich und sah mich an.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, sagte Mergolan, aber ich kannte Dietrich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er lieber seine Existenzgrundlage verlor, bevor er sich von jemandem maßregeln ließ.
»Ich kann das Taxi hinbringen«, sagte ich. »Oder wissen die, wer gestern gefahren ist?«
Mergolan griff erleichtert in den Pistazientopf auf seinem Schreibtisch.
»Ah, würdest du das machen? Sehr gut. Ich kann’s schlecht selbst machen.«
»Du brauchst da nicht hinzugehen«, sagte Dietrich, sah aber ebenfalls erleichtert aus.
»Macht mir nichts aus«, sagte ich.
»Du brauchst da nicht für mich hinzugehen«, wiederholte Dietrich trotzig. »Ich geh da jedenfalls nicht hin.«
»Ich fahr dir den Fünfnullacht aus der Werkstatt«, sagte Mustafa.
43
Marco beugte sich über die Bettkante und zog zwei Stücke gelber Wäscheleine unter seinem Bett hervor. Ich war schon dabei, mich anzuziehen.
»Ich möchte, dass du noch ein bisschen bleibst«, sagte Marco und band das eine Stück um mein linkes Handgelenk und befestigte es an dem Holzbogen über dem Kopfende seines Bettes. Auffordernd streckte er seinen kurzen Arm nach meiner rechten Hand aus. Nach kurzem Zögern hielt ich sie ihm hin. Er schlang das andere Leinenstück um mein rechtes Handgelenk, wartete, dass ich mich wieder auf den Rücken legte, und befestigte es ebenfalls am Kopfende.
»Ich muss aber los«, fiel mir in diesem Moment ein, »ich hab die Miete noch nicht zusammen. Eigentlich hätte ich heute überhaupt nicht kommen dürfen. Das Geschäft ist im Moment total schlecht.«
Marco legte den Finger auf meinen Mund.
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sagte er und ließ seinen Finger über mein Kinn den Hals hinunterrutschen.
»Nein«, sagte ich, »mach den Quatsch wieder ab. In zehn Minuten ist die Staatsoper zu Ende. Ich kann es mir nicht leisten, hier rumzuliegen. Außerdem finde ich das sowieso peinlich.«
Statt einer Antwort setzte Marco sich auf mich. Mein Hemd war immer noch aufgeknöpft. Er schob die beiden Hälften langsam zur Seite.
»Ich muss echt los. Außerdem sitzt du genau auf meinen Hüftknochen. Du tust mir weh.«
»Du musst gar nicht los«, sagte Marco. »Du hast alle Zeit der Welt. Entspann dich.«
Er sah auf mich herunter und strich über meine Rippen.
»So, jetzt ist Schluss«, sagte ich. »Mach mich los. Ich finde das nicht mehr witzig. Ich will, dass du mich losbindest. Und zwar jetzt. Ich mein das ernst.«
»Merkst du nicht selber, wie übel das ist, wenn du immer schon nach zwei Stunden wieder abhaust. Du kommst hier angetanzt, wann du willst. Du rufst mich nicht einmal vorher an. Du gehst, wann es dir passt. Und ich darf zu allem ja und amen sagen. Ich darf dich nicht einmal mehr anrufen, weil ja dein Freund ans Telefon gehen könnte. Ich darf überhaupt nichts.«
»Das hast du vorher gewusst«, sagte ich und versuchte, meine Hände aus den Schlingen der Wäscheleine zu winden. »So oder gar nicht. Du kannst ja jederzeit Schluss machen, wenn es dir nicht mehr passt.«
»Warum machst du nicht endlich mit deinem Freund Schluss. Du hast mir immer noch nicht erklärt, wieso du nicht mit ihm Schluss machen kannst. Du schläfst doch gar nicht mehr mit ihm.«
»Was weißt du denn davon? Du weißt doch überhaupt nichts von Dietrich«, sagte ich. Ich konnte es Marco nicht erklären, weil ich es selbst nicht verstand. Ich war wie eine Gefangene, ich kam da einfach nicht raus.
»Jetzt mach die verdammte Leine weg«, sagte ich, »die schnürt mir das ganze Blut ab. Und geh endlich von mir runter. Du bist total schwer.«
»Ich weiß, dass du zweimal die Woche herkommst, um mit mir zu schlafen. Also kann das ja wohl nicht so doll sein mit deinem Freund. Mach endlich Schluss. Ich will richtig mit dir zusammen sein. Ich will, dass du die ganze Nacht bei mir bleibst und mit mir zusammen aufwachst.«
Er saß immer noch auf mir drauf und machte keine Anstalten, mich loszubinden. Meine Hände waren schon ganz taub. Ich war kurz davor zu heulen.
»Warum sollte ich das tun«, schrie ich ihn an. »Du hast von Anfang an gewusst, dass ich mit jemandem zusammen bin.
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