Taxi
mich. Ich deckte ihn zu und strich ihm über den Kopf.
»Ich will nur schlafen«, sagte Nusske.
»Ist ja gut«, sagte ich und stand noch einmal auf, um das Deckenlicht auszuknipsen. Als ich zurückkam, schlief Nusske tatsächlich schon. Die Zähne hatte er fest zusammengebissen und die Mundwinkel zu einem grimmigen Grinsen verzogen. Selbst im Schlaf sah er verzweifelt aus.
52
Abends um acht stand ich mit dem Zwodoppelvier am Karl-Muck-Platz. Ich kriegte jetzt immer den Wagen, den ich wollte. Meistens durfte ich ihn sogar mit nach Hause nehmen. Viele Fahrer waren abgesprungen, nachdem die Firma den Funk gewechselt hatte. Ich war die Achte in der Schlange. Weiter vorn standen die Wagen von Taximörder und Udo-Zwonullfünf. Ich ging nicht hin.
Seit Udo-Zwonullfünf und Taximörder wussten, dass ich mit Dietrich Schluss gemacht hatte, ignorierten sie mich. Deswegen war ich auch erstaunt, als die beiden plötzlich ausstiegen und auf mich zukamen. Sie setzten sich in mein Taxi, Udo nach vorn. Er hatte noch nicht einmal ein Suhrkamp-Buch dabei.
»Ich will mit dir reden«, fing er ohne Begrüßung an, »wegen Dietrich. Sag mal, findest du das normal, dass du immer wieder bei ihm ankommst, obwohl du was mit diesem halbdummen Journalisten hast?«
Ich war so überrascht, dass ich prompt anfing, mich zu verteidigen.
»Na ja«, sagte ich, »wir wohnen halt untereinander. Da läuft man sich schon mal über den Weg. Und neulich bin ich zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, ob er einen Schrank haben wollte, den ich sonst auf den Sperrmüll gestellt hätte. Ich konnte den Schrank nicht einfach wegwerfen, weil Dietrich den mal bezahlt hat. Vielleicht hätte ich das lieber lassen sollen. Aber dann ist es ja wohl Dietrichs Sache, mir das zu sagen. Warum steckst du dich da rein?«
»Hör m-mit deinen verdammten Machtspielchen auf! Lass ihn endlich in Ruhe«, sagte Udo-Zwonullfünf. »Du hast Dietrich sowieso nie das Wasser reichen können.«
Taximörder nickte bekräftigend.
»Was ist denn mit deiner Freundin«, fragte ich Udo, »vielleicht solltest du lieber mal darüber nachdenken, warum die abgehauen ist.«
In diesem Moment rief die Funkerin den Posten.
»Karl-Muck-Platz? … Jemand am Karl-Muck? …«
Udo drückte auf meine Funkgabel.
»Dreivierneun im Wagen von Zwodoppelvier.«
»Also wer steht denn jetzt vorne? … Dreivierneun, Zwodoppelvier oder Fünfnullneun.«
Udo drückte wieder auf die Funkgabel.
»Dreivierneun, Dreivierneun, Dreivierneun.«
»Dreivierneun und Fünfnullneun, jetzt steigen Sie doch bitte mal aus und einigen Sie sich, wer vorne ist. Sie werden doch wohl nicht aufeinander stehen.«
Udo wollte schon wieder auf die Gabel hauen, aber diesmal hielt ich meine Hand davor.
»Das hier ist der Blitz-Funk. Wenn ich mich nicht irre, fährst du jetzt beim Hansa.«
»Scheiße, stimmt ja«, sagte Udo. Er sprang aus dem Wagen, um die Sache zu regeln. Ich drehte mich zu Taximörder um, der auf der Rückbank sitzen geblieben war.
»Was ist mit dir? Hast du mir auch noch was zu sagen?«
Taximörder duckte sich.
»Ich finde es auch nicht gut, wie du Dietrich behandelt hast.« Er schaute wie üblich beim Sprechen knapp an mir vorbei. »Aber ich habe das kommen sehen. Du hast irgendwie unglücklich gewirkt.«
»Was?«
»Fünfnullneun, der Bronzekeller.«
»Du siehst immer noch unglücklich aus«, sagte Taximörder, »ich kann so etwas sehen.«
»Seit wann kannst du so etwas sehen? Du konntest doch noch nie etwas sehen.«
»Noch einmal Karl-Muck.«
» Ja. Und vielleicht möchtest du dich mal aussprechen. Ich wohne in der Emilienstraße 37. Und ich fahr heut nur bis zwölf. Du könntest doch nachher einfach mal bei mir vorbeikommen, und wir trinken was zusammen.«
Ich sah ihn fassungslos an .
»Jemand am Karl-Muck-Platz?«
»Überleg’s dir«, sagte Taximörder, während er ausstieg, »Emilienstraße 37. Ich steh sonst auch im Telefonbuch.«
»Also jetzt reißen Sie sich doch mal zusammen, Kollegen! Wer steht denn nun am Karl-Muck? Vierviereins steht hinten. Und wer schläft vorn?«
53
Plötzlich stand Majewski in der Tür. Er ließ vier aus allen Nähten platzende Nylontaschen auf den Boden fallen. Ich musste endlich mal daran denken abzuschließen. Das machte mich nervös, dass er immer so plötzlich hereinkam.
»Ich dachte, du bist noch im Tessin?«
»Das Wetter war so schlecht. Die ganze Zeit hat es geregnet.«
Er erzählte von dem Fluss, auf dem er und irgendwelche anderen Leute gefahren waren,
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