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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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losging. Und dann stand ich wieder vor einer Ampel und dachte gar nichts, nahm nichts mehr wahr außer einem blinden Pudel, der neben der Ampel saß und mit milchigen Augen durch mich hindurch schaute.
51
    Es war elf Uhr abends, ich lag schon im Bett, als es klingelte. Majewski konnte es nicht sein, der war erst vor ein paar Tagen in den Urlaub gefahren. Außerdem hätte der nicht geklingelt, sondern wäre gleich so hereingetrampelt. Ich stand auf und drückte auf die Gegensprechanlage.
    »Ich bin’s, Nusske. Lass mich schnell rein, die Polizei ist hinter mir her.«
    Als er bei mir in der Wohnung stand, klang er schon weniger dramatisch.
    »Ich hab was getrunken und bin mit dem Auto unterwegs gewesen. Da ist plötzlich dieser Polizeiwagen hinter mir aufgetaucht. Ich bin gleich in die nächste Straße und hab Gas gegeben. Die hinterher. Aber ich hatte ’nen guten Vorsprung und bin immer wieder abgebogen. Ich glaube, ich habe die abgehängt. Ist aber besser, wenn ich mich die nächsten zwei Stunden nicht auf der Straße zeige. Kann ich so lange hier bleiben?«
    »Ja klar«, sage ich. »Da hast du aber Glück, dass ich heute nicht fahre. Willst du was trinken?«
    Nusske. Wer hätte das gedacht.
    »Wasser«, sagte Nusske, »bloß Wasser. Oder hast du Orangensaft?«
    Ich turnte in meinem Pyjama zum Kühlschrank und holte uns Wasser und zwei Gläser. Nusske setzte sich mit seinem Wasserglas aufs Sofa. Ich schloss die Wohnungstür ab. Nicht wegen der Polizei, sondern wegen Majewski. Auch wenn er im Urlaub war, konnte man nie sicher sein, dass er es sich nicht plötzlich anders überlegt hatte. Ich setzte mich aufs Bett und wickelte mich in meine Decke.
    »Was macht die Firma?«
    »Hör bloß auf«, sagt Nusske. »Ich hab heute Udo entlassen.«
    »Oh«, sagte ich, »aber Udo ist doch der Chef.«
    »Schon, aber Udo hat ja überhaupt nichts gebacken gekriegt. Der hat da in seinem Chefsessel gehockt und neue Jettas bestellt und sich jeden Monat zweitausend Mark ausbezahlt. Das ist einfach nicht drin. Wir müssen so viel wie möglich von den Krediten abtragen. So war das ja auch geplant. Sonst ersticken wir an den Zinsen. Ich steh die halbe Nacht in der Werkstatt und arbeite für nix, damit wir den Mechaniker einsparen, und Udo zahlt sich jeden Monat zweitausend Mark Gehalt aus. Du verstehst, dass ich ihn entlassen musste?«
    Nusske sah erschöpft aus.
    »Natürlich, den hätte ich schon längst rausgeworfen. Aber wie lange willst du das noch aushalten?«
    »Vier Jahre. Bis ich die Kredite los bin. Dann verkauf ich den ganzen Klumpatsch und will nie wieder was davon hören.«
    »Vier Jahre lang zwei Jobs und keinen Schlaf? Das schaffst du gar nicht. Wenn das Ganze so ein Riesenfehler war, warum meldest du nicht einfach Konkurs an? Dann wird die Firma versteigert, die Bank ist froh, wenn sie wenigstens die Hälfte von ihrem Geld zurückbekommt, und du bist wieder frei und kannst nachts schlafen.«
    »Nein, das geht nicht. Das bin ja nicht nur ich, der für den Kredit gebürgt hat. Da steckt auch noch ein Freund von mir drin. Ich bin schuld daran, dass der für siebzigtausend Mark gebürgt hat. Den kann ich nicht hängenlassen«
    »Okay«, sagte ich, »dann schuftest du eben, bis du die siebzigtausend an deinen Freund zurückgezahlt hast, und meldest dann Konkurs an.«
    »So etwas mache ich nicht«, sagte Nusske. »Was ich mir geliehen habe, das zahle ich auch zurück.«
    »Das ist ’ne Bank«, sagte ich. »Das sind schlechte Menschen, die Werbung machen, damit Leute, die es sich eigentlich gar nicht leisten können, Kredite aufnehmen. Die haben ständig damit zu tun, dass sie irgendwelche Gelder nicht zurückbekommen. Der Bankdirektor wird deshalb nicht nächtelang wachliegen und weinen. Und da ist auch keiner, der es aus seinem eigenen Portemonnaie hineintun muss. Bloß ’ne Bank!«
    »Nein, so etwas mache ich nicht«, sagte er. »Ich arbeite so lange, bis ich alles zurückgezahlt habe, das geht nicht anders.«
    Ich sah, dass ich ihm keinen Gefallen tat, wenn ich weiter nach Auswegen für ihn suchte. Nusske besaß den Eigensinn einer zum Aussterben verurteilten Spezies. Leute wie ihn brauchte der Staat.
    Bloß für Nusske selber war es natürlich schrecklich.
    »Komm«, sagte ich und schlug meine Decke auf, »dann leg dich wenigstens ins Bett und schlaf jetzt ein bisschen.«
    »Ja«, sagte Nusske, »aber ich will bloß schlafen.«
    Er zog sein Jackett und seine Lederhose aus, kam in Unterhosen zum Bett und legte sich neben

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