Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
Sheriff. Baldwin nickte ihm dankbar zu, nahm den Umschlag und warf einen Blick auf die hochauflösenden Fotos darin. Der Sheriff hatte recht; außer den Schlüsseln unter dem Wagen war die Szenerie genau dieselbe.
Baldwin zog ein Paar Handschuhe aus seiner Tasche und quetschte sich in den kleinen BMW. Er war dankbar, dass sie die Tür offen gelassen hatten, es mussten knapp fünfzig Grad hier drin geherrscht haben. Er fühlte zwischen den Sitzen, bemerkte den Mangel an Chaos, den man normalerweise in einem von einer Frau gefahrenen Auto vorfand. Es war sehr sauber, perfekt organisiert und erzählte eine eindeutige Geschichte über Marni Fischer.
Sie hielt sich in Form. Da lag eine Sporttasche auf dem Rücksitz. Baldwin schaute kurz rein – Lycra-Shorts, ein T-Shirt, Socken und professionelle Laufschuhe. Eine Bürste, ein Föhn und kleine Duschgel- und Haarshampooflaschen vervollständigten den Inhalt. Neben der Tasche lagen medizinische Lehrbücher. Auf der Mittelkonsole fand er einen Lippenstift, Haargummis und die klassische Aviator-Sonnenbrille von Ray-Ban. Das Übliche.
Baldwin arbeitete sich durch das Auto und fand nichts Ungewöhnliches. Als er das Handschuhfach öffnete, flatterte ein Stück Papier zu Boden. Er fasste es vorsichtig an einer Ecke an und warf dem Sheriff einen fragenden Blick zu. “Haben Ihre Jungs das gesehen?”
“Ist noch nicht auf Fingerabdrücke untersucht worden, falls Sie das meinen. Ich hab’s gelesen, ist nur ein Gedicht. Ich nehme an, dass ihr Freund es ihr geschenkt hat.”
Baldwin stieg aus dem Auto und betrachtete den Zettel eingehend. Es war ein Gedicht. Ein Liebesgedicht. Auf ein schlichtes weißes Stück Papier gedruckt. Er war nicht überrascht, dass der Sheriff nicht darüber gestolpert war; unter normalen Umständen würde es keinem auffallen. Aber Baldwin war ein Profiler, und seine Alarmglocken begannen zu schrillen, als er die Zeilen las.
So gefangen zu sein
,
so beherrscht vom rohen Blut der Luft
,
hatte sie sich sein Wissen mit seiner Macht angeeignet
,
bevor der gleichgültige Schnabel sie fallen lassen konnte?
“Yeats”, murmelte er. Grimes und der Sheriff schauten ihn neugierig an.
“Glauben Sie wirklich, dass ein Gedicht die Wende in diesem Fall bringen kann?” Grimes verlagerte sein Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen. Ihm wurde klar, dass sie vielleicht ihren ersten Durchbruch in dem Fall hatten – und das leider nicht seinetwegen.
“Grimes, haben Sie an den anderen Tatorten irgendwelche Gedichte gefunden?”
“Nicht bei den Leichen. Ich weiß nicht, ob irgendjemand die Sachen der Mädchen durchgesehen hat. Scheiße!”
Er zog sein Telefon aus der Tasche und wählte eine Nummer. “Thomas, Grimes hier.” Baldwin erkannte, wen Grimes angerufen hatte. Thomas Petty war dessen Partner und hatte die Ermittlungen zu Anfang geleitet. Er war bei zwei der Morde am Fund- sowie am Tatort gewesen.
Grimes lief in Kreisen auf dem Parkplatz, während er telefonierte. “Du bist immer noch in Alabama an dem Fall des vermissten Jungen, richtig? Hast du ein paar heiße Kontakte, die uns einen Gefallen tun können? Gut, wir brauchen Folgendes: Du musst mit der Polizei in Alabama, Louisiana und Mississippi Kontakt aufnehmen. Sie sollen noch einmal alle Sachen der Mädchen durchsehen. Wenn sie dazu die Familien aufsuchen müssen, sollen sie es tun. Sie sollen nach einem Stück Papier Ausschau halten, auf dem ein Gedicht steht. Richtig, ein Gedicht. Stell sicher, dass sie auch in den Autos der Mädchen nachgucken.” Er räusperte sich, seine Stimme klang angespannt und nervös. Baldwin konnte seinen Gesichtsausdruck lesen – hatte er den wichtigsten Hinweis des Falles übersehen? “Besonders die Handschuhfächer. Ruf mich so schnell du kannst wieder an.”
Er legte auf und schüttelte den Kopf. “Glauben Sie wirklich, dass das vom Mörder ist?”
Baldwin nickte. “Dieser Kerl spielt Spiele. Sicher würde er uns nicht mit gar nichts ins Rennen schicken. Der Tausch der Hände ist ein Hinweis. Jetzt schauen wir mal, ob das hier ein anderer ist.” Er holte sein Notizbuch heraus und schrieb die Zeilen ab, auch wenn er das Gedicht auswendig konnte. Es war eines der faszinierendsten Gedichte, die er kannte. Das Originalpapier reichte er dann dem Sheriff. “Können Sie es für mich auf Fingerabdrücke untersuchen lassen?”
“Aber sicher. Tut mir leid, dass wir es übersehen haben.”
“Vielleicht liege ich ja falsch. Aber es scheint so gar
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