Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
die Berichterstattung auf Hochtouren. Die nationalen Kabelsender waren inzwischen ebenfalls auf den Zug aufgesprungen, sodass mittlerweile alle großen Sender über den Fall berichteten. Es wurde wild spekuliert, diejenigen, die sich für spektakuläre Verbrechen interessierten, verlangten nach Interviews, und das gesamte Dezernat kam darüber beinahe zum Erliegen. Der Rainman bekam mehr Aufmerksamkeit, als er es sich je erträumt haben konnte, und Metro bezahlte den Preis dafür.
Mit ausdrücklichen Anweisungen, die Ermittlungen endlich voranzutreiben, jagten Lincoln Ross und Marcus Wade Spuren und Gerüchten nach, so schnell sie nur konnten. Am dringlichsten war es jetzt, das vorletzte Opfer des Rainman zu befragen, die Frau, die Betsy gegenüber gestanden hatte, ihren Angreifer erkannt zu haben.
Lincoln parkte seinen Wagen vor einem Bungalow, der aus den 1940er-Jahren stammte. Die Farbe blätterte ab, die Fliegengitter vor den Fenstern waren zerrissen, der Garten war staubig und das Gras verdorrt.
In dieser Nachbarschaft, in der die Immobilienpreise inzwischen bei 800 000 Dollar begannen, war dieses Gebäude einer der wenigen übrig gebliebenen Bungalows. Der Trend in der Immobilienszene von Nashville ging dahin, die kleineren Häuser auf den teuren Grundstücken zu kaufen, um dann alles abzureißen und einen monströsen Neubau hinzusetzen. Dieses Vorgehen erfreute sich einer unglaublichen Beliebtheit.
Marcus schaute sich um und sprach Lincolns Gedanken aus. “Sie passt nicht so richtig in das Profil der anderen Opfer, oder?”
Lincoln schüttelte schweigend den Kopf und starrte weiter auf das Haus. Sechs der Opfer lebten in wunderschönen, sorgfältig gepflegten Häusern inmitten geschlossener Wohnanlagen. Sogar Betsy Garrisons Haus lag in einer beliebten, sich langsam zum Szeneviertel mausernden Gegend. Das war ja Teil der Panikmache des Rainman: Wenn er sich an Pförtnern und geschmiedeten Zäunen vorbeischleichen vermochte, konnte er überallhin gelangen. Er schien etwas besser situierte Frauen als Opfer zu bevorzugen. Wenn man jedoch vom Äußeren ihres armseligen Hauses ausging, passte diese Frau nicht in sein Beuteschema.
Als sie aus dem Auto stiegen, schoss ein übergewichtiger Beagle um das Haus herum auf sie zu. Bösartiger klingend, als er sehr wahrscheinlich war, walzte er auf Lincoln zu und bleckte seine Zähne wie ein echter Bluthund. Sein wedelnder Schwanz strafte seine Grimmigkeit allerdings Lügen, und als Lincoln die Hand ausstreckte, warf der Hund sich auf den Boden und ließ sich den Bauch streicheln. Er hörte auf zu bellen und wimmerte in höchster Freude, ganz begeistert darüber, etwas Aufmerksamkeit zu bekommen.
Eine Stimme rief durch die vordere Fliegengittertür: “Wally. Waaaalllyyyy! Hör auf mit dem Krach.”
Lincoln und Marcus schauten einander an. Lincoln zuckte mit den Schultern, klopfte dem Hund ein letztes Mal auf die Flanke und ging zu der durchgesackten grauen Veranda hinüber. Als er die Stufen betrat, stöhnten diese protestierend auf. Ein leichter Marihuanageruch stieg ihm in die Nase. Er klopfte energisch an die Fliegengittertür.
“Metro Police”, verkündete er mit Autorität in der Stimme. Er hörte, wie Marcus ein Lachen unterdrückte, und ignorierte ihn. Nachdem er noch einmal geklopft hatte, war Geraschel aus dem Inneren des Hauses zu hören, dann kam eine müde aussehende Frau mit strähnigen braunen Haaren an die Tür. Ihre Augen waren blutunterlaufen, aber ansonsten gab es keine offensichtlichen Anzeichen dafür, dass sie irgendwelche Substanzen zu sich genommen hatte.
“Ja? Was wollen Sie?”
Lincoln setzte sein höflichstes Gesicht auf. “Lucy Johnson?”
“Ich hab nichts verbrochen.”
“Wir sind hier, um mit Ihnen über den Vorfall zu sprechen, den Sie gemeldet haben. Die, äh, Vergewaltigung.” Lincoln schaute Marcus um Unterstützung bittend an, aber der war vollauf damit beschäftigt, Wally den Bauch zu kraulen. Lincoln schürzte die Lippen und drehte sich wieder um. Es gab einen Grund, warum er in der Mordkommission arbeitete, einen Grund, warum er Computer mochte. Er konnte besser mit dem Tod, dem Unbelebten umgehen, als mit den Lebenden.
Lucy Johnson verzog ihr Gesicht, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Lincoln warf erneut einen flehenden Blick zu Marcus, damit der ihn retten komme. Widerstrebend ließ Marcus den Hund in Ruhe und gesellte sich zu seinem Kollegen.
“Mrs. Johnson, wir benötigen nur
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