Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
auffinden wie die anderen. Habe ich dir erzählt, dass Giselle St. Claires Großeltern mich heute angerufen haben? Sie waren so … süß. Bedankten sich für die nette Befragung durch Marcus und machten uns Komplimente dafür, wie wir den Fall handhaben. Sie sind überwältigt vor Trauer um ihre tote Enkelin, und dennoch rufen sie an, um uns zu unterstützen und uns wissen zu lassen, dass sie für uns beten. So etwas erlebe ich nicht allzu oft.“
„Habt ihr Giselles letzte Aktivitäten schon nachvollziehen können?“
„Das wird langsam zu einem echten Albtraum. Marcus ist in einer Sackgasse gelandet. Giselle und ihre Großeltern waren in Gatlinburg Ski fahren. Sie haben dort zu Abend gegessen und sind dann gemeinsam zurück nach Nashville gefahren. Weil sie morgens früh aufgebrochen waren, waren sie am Abend entsprechend erschöpft. Sie wollten nur noch heim und ins Bett. Als sie Giselle das letzte Mal sahen, saß sie im Wohnzimmer und las ein Buch. Erst als sie am nächsten Morgen aufgestanden sind und sich Frühstück machten, merkten sie, dass sie fort war. Wir haben sie gefunden, bevor sie überhaupt vermisst wurde. Das Muster ist das gleiche wie bei den anderen Mädchen. Sie verschwinden aus ganz normalen Situationen, und niemand vermisst sie, bis es zu spät ist. Vielleicht haben wir wenigstens mit Jane eine Chance. Wenn wir nur wüssten, wo wir suchen müssen.“
„Das ist immer das Problem, Taylor. Hast du inzwischen was von Giselles Mutter gehört?“
„Sie dreht gerade einen Film in Polen und kann erst morgen zurückkommen. Mit der Medienmeute, die ihr folgt, kann sie uns das Leben ganz schön schwer machen. Gott verhüte, dass sich jemand zwischen eine Kamera und Remy St. Claire stellt. Aber wir kriegen sie schon in den Griff. Mich stört etwas anderes. Dieser verdammte Siegelring. Warum fehlt gerade dieses eine Stück aus der Asservatenkammer?“
„Er kann einfach verloren gegangen sein. So etwas passiert“, sagte Baldwin. Er nahm die Karaffe und goss ihnen noch einen Schluck Wein ein.
„Ich weiß. Aber irgendetwas daran nagt an mir. Du wirst mich sehr wahrscheinlich für verrückt erklären, wenn ich dir erzähle, warum.“
„Mir was erzählst? Lass mich raten. Dein Dad hatte einen Siegelring.“
Sie schaute ihn genervt an. „Woher weißt du das?“
„Ich weiß es nicht, ich habe einfach geraten.“
„Nein, er war bestimmt nicht der Mörder. Ich denke, er hat einen Ring getragen, als ich jünger war, aber das war ein Schulring. Ich erinnere mich, dass er den verloren hat. Er war so wütend darüber. Nein, lass es mich erklären. Hab einen Moment Geduld, okay?“
„Okay.“ Baldwin lehnte sich bequem zurück.
„Ich habe immer wieder diese … Vision, könnte man es wohl nennen. Von damals, als ich noch ganz klein war. Wir waren gerade erst in das große Haus gezogen …“
„Taylor, das war kein großes Haus. Das war ein verdammter Palast.“
„Ach, nun übertreib mal nicht.“
„Süße, du hattest Personal, das in dem Haus gewohnt hat.“
„Das war nicht mein Personal.“
„Und ich nehme an, dass du ganz viele Sachen selber machen musstest. Wäsche waschen, Geschirr spülen und so.“
„Das ist nicht fair. Es ist ja nicht so, dass ich um den Lebensstil meiner Eltern gebettelt hätte, und das weißt du auch.“
„Ich weiß, Sweetie, ich zieh dich nur gerne auf. Sieh der Sache ins Gesicht, du warst eine kleine Prinzessin.“
„Ja, die Prinzessin auf der Erbse. Nur dass die Erbse in meinen Fall der Vater war, der in den Knast ging, weil er einen Richter geschmiert hatte, oder meinen Geburtstag vergaß, weil er und Mom irgendwo in Europa waren.“
„Wenigstens hattest du Eltern.“ Baldwin schaute in sein Weinglas, und Taylor streckte die Hand aus und berührte seinen Arm.
„Ich weiß. Du hast recht. Aber manchmal überlege ich, ob es nicht besser wäre, geliebt und verloren zu haben, als ignoriert worden zu sein.“
„Das würde ich wirklich niemandem wünschen, Taylor. Als ich meine Eltern verlor … nun, so etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Es ist unmöglich zu verstehen, wenn man so jung ist und auf einmal keinen Halt mehr hat. In der einen Minute sind sie da, in der nächsten nicht mehr, und du wirst sie nie mehr wiedersehen. Das war hart.“ Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Egal, wir sprachen ja gerade über Versailles.“
„Oh, halt den Mund. Es war ein großes Haus, okay? Zufrieden?“
„Ja, Liebste. Erzähl mir von deiner
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