Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
Probeessen war vorbei, und Baldwin und Taylor waren wieder zu Hause und schauten sich die Dateien an, die Daphne ausgedruckt hatte. Sie hatte den Jackpot geknackt. Offensichtlich hatte Frank mehr als einhundert Seiten an Informationen ausgedruckt, die von Grundbesitzurkunden bis zu Kriminalstatistiken reichten. Als Taylor die Redaktion mit einem Stapel Papier in der Hand verlassen hatte, hatte Daphne so verloren ausgesehen, dass Taylor sie spontan zu ihrem Probeessen eingeladen hatte. Dort hatte das Mädchen sich sehr intensiv mit Marcus unterhalten, und dem Gesichtsausdruck der beiden nach zu urteilen könnte der Footballspieler schon bald der Vergangenheit angehören. Taylor fühlte sich wie Amor.
Die Probe war so gut gelaufen, wie es unter diesen Umständen zu erwarten war. Ihr Priester, Pfarrer Francis, war ein freundlicher, weißhaariger Mann, der extra aus dem Ruhestand zurückgekehrt war, um Taylor zu verheiraten. Er hatte sie getauft, ihr die Erstkommunion erteilt, sie beraten, als ihr Vater ins Gefängnis musste – es war nur passend, dass er sie auch in den Hafen der Ehe führen würde. Baldwin und er verstanden sich gut. Taylor wusste, dass die beiden im Herbst öfter gemeinsam Golf gespielt hatten, als das Wetter noch gut genug dafür gewesen war. Damals hatte sie es amüsant gefunden – ihr Verlobter und ihr Priester spielten gemeinsam Golf. Jetzt machte es sie wahnsinnig. Pfarrer Francis hatte jahrelang mit ihrem Vater Golf gespielt. Er war regelmäßiger Teilnehmer einer Vierergruppe gewesen, bestehend aus Win Jackson, Burt Mars und einem anderen Mitglied, das vor Jahren gestorben war. Taylor hatte den Drang unterdrücken müssen, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen, als er ihr und Baldwin erklärte, wie das mit den Ehegelöbnissen ablaufen würde.
Danach sollte es kein formelles Dinner geben; stattdessen hatten sie bei Finezza , einem Italiener in der Nähe der Kirche, einen Tisch für neun Personen reserviert. Zehn, mit ihrem neuesten Gast Daphne. Sie bestellten Pizza, tranken Wein aus Wassergläsern und machten sich einen schönen Abend.
Es wurden viele Toasts auf das Glück des Brautpaares ausgesprochen. Taylor hob ihr Glas wieder und wieder und fragte sich, was dieser Satz für eine Bedeutung hatte. Glück war eine Gemütsverfassung, manchmal schwer fassbar, oft nicht messbar. Heute Abend war sie glücklich, auf ihre Art. Zufrieden sogar. Aber war sie das rechte Maß, um Gefühle zu beurteilen? Sie stellte sich vor, dass es Menschen gab, Frauen, die kurz vor der Hochzeit standen und einfach glücklich darüber waren, ein Haus, einen schönen Ring und eine lange Schleppe an ihrem Kleid zu haben.
Aber sie selbst war keine von ihnen. Zum einen wollte sie mal eine Woche lang keine Leiche sehen müssen. Das würde sie glücklich machen. Sie würde gerne Frank Richardsons Mörder fassen. Ja, das würde sie auch glücklich machen. Sie hätte außerdem gerne den Schneewittchenmörder und seinen Komplizen vor sich auf den Knien, die Hände gefesselt, ein frisches Magazin in ihrer Glock … Panik machte sich in ihrem Brustkorb breit. Das waren nicht die richtigen Gedanken für eine baldige Braut. Sie sollte von Hochzeitsglocken, Flitterwochen und Glücklichsein bis ans Lebensende träumen.
Vielleicht war sie ein wenig betrunken.
Baldwin sah, worauf der Abend zusteuerte, und sorgte dafür, seine Braut sicher nach Hause zu bringen. Im Auto trank sie eine Cola light und fühlte sich gleich besser. Es hatte aufgehört, zu schneien. Die weißen Schichten sahen aus wie eine Hochzeitstorte. Diese Vorstellung brachte sie zum Lachen, und Baldwin lachte mit ihr.
Sie fuhren nach Hause, zogen sich um und versuchten, etwas zu finden, mit dem sie sich außerhalb ihres Schlafzimmers beschäftigen konnten. Taylor war zu angespannt, um schlafen zu gehen, also forderte sie Baldwin zu ein paar Partien Billard heraus. Danach ließ sie sich aufgedreht, aber erschöpft auf die Wohnzimmercouch fallen.
„Was ist los?“
„Ich will herausfinden, warum Frank Richardson ermordet wurde. Und ich musste mir auf die Zunge beißen, um Pfarrer Francis nicht zu verhören.“
„Hast du dich deshalb so seltsam benommen? Ich dachte schon, dass du wieder kalte Füße bekommst.“
„Nein, du hast angenommen, dass sie überhaupt nie warm geworden sind.“
„Taylor …“
„Ich mach nur Witze. Nein, ich denke über Frank nach und Burt Mars, und ich kann mir nicht helfen, Schatz, aber ich muss mir diese Dateien noch mal
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