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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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die andere Tür klopfte, antwortete Torsten mit einem Stammeln.
    - Herein, rief Leyla.
    Sie hatten die Decke bis zum Kinn hochgezogen. An der Seite der dicken Leyla wirkte Torsten sehr klein.
    - Steht auf und zieht euch an. Die Mädchen und ich müssen los.
    - Ich komme mit, sagte Torsten.
    - Mußt du nicht zur Arbeit? Torsten begann zu stottern.
    - Er arbeitet nur als Vertretung, antwortete Leyla. Meine Großmutter hat noch jemand anderen, der ihr hilft.
    Es war bereits sieben Uhr. Jesper Humlin ging die Treppe hinunter. Er fürchtete sich vor dem Telefongespräch, das er jetzt führen mußte. Wenn es etwas gab, das seine Mutter haßte,

Er setzte sich an einen Schreibtisch, auf dem ein Telefon stand. Aus dem Obergeschoß hörte er Tanjas und Tea-Bags Stimmen lauter und wieder leiser werden. Meine Familie, dachte er. All diese Kinder, von denen Andrea immer spricht. Er griff nach dem Hörer und wählte. Nach vierzehn Klingelzeichen nahm seine Mutter ab. Es klang, als läge sie im Sterben. Ihre wirkliche Stimme, dachte Jesper Humlin verdrossen. Keine Stimme, die gegen Bezahlung stöhnt oder ihrer Umwelt Befehle erteilt. Sondern die Stimme einer alten Frau, die schon hört, wie die Erde ruft und sie zu sich ziehen will.
    - Wer ist da?
    - Ich bin es.
    - Wieviel Uhr ist es?
    - Sieben.
    - Willst du mich umbringen?
    - Ich muß mit dir reden.
    - Ich schlafe um diese Zeit. Mir ist es endlich gelungen einzuschlafen. Du mußt heute abend anrufen.
    - Das geht nicht. Ich verlange nur, daß du dich ein paar Minuten lang wach hältst und dir anhörst, was ich zu sagen habe.
    - Du hast nie etwas zu sagen.
    - Jetzt habe ich es. Ich rufe aus Göteborg an.
    - Bist du immer noch mit diesen indischen Mädchen zugange?
    - Es sind keine indischen Mädchen. Die eine kommt aus dem Iran, die andere aus der ehemaligen Sowjetunion.
    - jedenfalls glaube ich, daß sie von da kommt -, außerdem ein Mädchen aus Nigeria sowie ein Junge, der Torsten heißt und stottert. Er ist aus Göteborg.
    - Klingt nach einer sonderbaren Gesellschaft. Warum stottert er?

- Ich weiß nicht, warum er stottert. Als ich klein war, habe ich gestottert, wenn ich Angst hatte. Oder wenn ich mit jemandem sprechen sollte, der stotterte.
    - Man muß nicht stottern, wenn man nicht will. Es ist nur eine Frage des Willens.
    - Ich finde, das solltest du mal allen sagen, die ihr ganzes Leben darunter zu leiden hatten.
    - Ich lege mich jetzt wieder hin.
    - Nicht ehe du gehört hast, was ich zu sagen habe.
    - Gute Nacht.
    - Wenn du jetzt den Hörer auflegst, breche ich jeden Kontakt mit dir ab.
    - Was gibt es denn so Wichtiges?
    - Heute nachmittag komme ich mit diesen Mädchen und dem stotternden Jungen zu dir nach Hause.
    - Weshalb?
    - Sie sollen bei dir wohnen. Wie lange, weiß ich nicht. Aber du darfst auf keinen Fall irgend jemandem etwas davon sagen. Hast du verstanden?
    - Kann ich mich jetzt wieder hinlegen?
    - Schlaf gut.
    Als er den Hörer auflegte, merkte Jesper Humlin, daß seine Hand zitterte. Aber er war überzeugt, daß es bei seiner Mutter angekommen war, was er gesagt hatte; sie würde niemandem verraten, daß er als Leiter einer, gelinde gesagt, bunt gemischten Reisegruppe auf dem Weg nach Stockholm war.
    Am frühen Nachmittag kamen sie an. Während der Fahrt hatten sie sich auf verschiedene Wagen verteilt. Als der Zug Södertälje passierte, bat er Tanja um eins ihrer Mobiltelefone. - Wem gehört dieses Handy?
    - Es funktioniert hervorragend.
    - Danach habe ich nicht gefragt! Benutze ich immer noch Telefone, die der Polizei und der Staatsanwaltschaft gehören?

- Dieses habe ich einem Schaffner abgenommen. Jesper Humlin zuckte zusammen. Dann schloß er sich auf einer Toilette ein und rief seine Mutter an. Sie meldete sich sofort.
    - Ich sitze hier und warte. Wann kommt ihr?
    - Wir haben gerade Södertälje passiert.
    - Ich dachte erst, ich hätte geträumt. Ich nehme an, du kommst zu mir nach Hause, weil sie sich verstecken müssen?
    - Du hast richtig verstanden.
    - Wie viele sind es? Zehn oder zwölf?
    - Außer mir sind es vier Personen.
    - Wirst du auch hier wohnen?
    - Nein.
    - Ich freue mich darauf, diese indischen Mädchen kennenzulernen. Ich habe einen indischen Schal angelegt, den ich von deinem Vater zur Verlobung bekommen habe.
    - Es sind keine indischen Mädchen, Mama. Das habe ich dir bereits heute morgen erklärt. Nimm diesen Schal ab. Koche keines von deinen Spezialgerichten. Außerdem wäre ich dir dankbar, wenn du heute abend nicht am Telefon

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