Tea-Bag
sehen. Sie hatte reichlich Wein getrunken und war bester Laune.
- Warum sitzt du hier?
- Ich muß nachdenken.
- Niemand vermißt dich da drinnen am Tisch. Jesper Humlin wurde wütend.
- Alle vermissen mich. Du nicht. Aber die anderen. Wenn du nur gekommen bist, um mir das zu sagen, kannst du gleich wieder gehen. Ich will meine Ruhe haben.
- Was regst du dich denn so auf?
- Ausnahmsweise setze ich mich zur Wehr.
- Willst du weiter hier sitzen und schmollen?
- Ich schmolle nicht. Ich denke nach. Ich habe einen wichtigen Entschluß gefaßt. Geh jetzt. Ich komme gleich.
Seine Mutter wirkte plötzlich bekümmert. Sie fing an zu flüstern.
- Du hast diesen Mädchen doch nicht gesagt, womit ich mich beschäftige, um dir ein ordentliches Erbe zu sichern?
- Ich habe nichts gesagt.
Die Gegensprechanlage summte.
- Wer kann das sein? Jesper Humlin stand auf.
- Ich weiß, wer es ist.
- Es gefällt mir nicht, daß du Leute hierher einlädst, ohne vorher mit mir darüber zu reden.
- Ich habe niemanden zu dir eingeladen, Mama. Aber Tea- Bag, Tanja und Leyla werden Besuch von Menschen bekommen, die ihnen nützlicher sein können als du oder ich.
Jesper Humlin ging zur Tür und öffnete sie. Die Journalisten begannen hereinzuströmen. Ein Blitzlicht blendete seine Mutter.
- Journalisten? Warum läßt du sie hier rein?
- Weil es das Beste ist, was wir tun können.
- In meiner Wohnung herrscht diplomatische Immunität. Ich dachte, diese Mädchen wären auf der Flucht?
- Du hast zuviel getrunken, Mama. Du verstehst nicht, was hier vor sich geht.
- Ich lasse keine Journalisten in mein Heim.
- Natürlich tust du das.
Gegen ihren Widerstand lotste er die Journalisten in das Zimmer, in dem das Mahl noch in vollem Gange war. Bevor er dazu kam, etwas zu sagen, die Anwesenheit der Journalisten und seine Absicht zu erklären, sprang Leyla auf und fing an zu kreischen.
- Ich will nicht in die Zeitung kommen. Wenn meine Eltern das sehen, schlagen sie mich tot.
- Ich werde dir alles erklären. Wenn du nur zuhörst. Aber niemand hörte zu. Tea-Bag begann mit den Fäusten auf ihn einzuhämmern.
- Warum sind die hier? Warum hast du sie hereingelassen?
- Ich werde es euch erklären. Tea-Bag drosch weiter auf ihn ein.
- Warum sollen sie Bilder von uns machen? Jeder Polizist, der uns aus dem Land jagen will, wird die Bilder sehen. Was, meinst du, wird mit Leyla passieren, die zu Hause noch nichts von Torsten erzählt hat? Warum tust du so was?
- Weil es die einzige Möglichkeit ist. Die Leute müssen es erfahren. Was ihr mir erzählt habt.
Tea-Bag hörte ihm nicht zu. Sie bearbeitete ihn weiter mit den Fäusten. In seiner Verzweiflung gab er ihr eine Ohrfeige. Ein Blitzlicht flammte auf. Tea-Bag hatte Tränen in den Augen.
- Ich glaube, es ist das Richtige, versuchte er zu erklären.
Aber Tea-Bag weinte nur. Tanja warf eine Schüssel Spaghetti nach einem Journalisten. Dann zog sie Tea-Bag mit sich hinaus in den Flur. Jesper Humlin folgte ihnen und schlug die Tür hinter sich zu.
- Ihr könnt jetzt nicht verschwinden. Ich tue das um euretwillen. Wo wollt ihr hin? Wo kann ich euch erreichen?
- Überhaupt nicht, schrie Tea-Bag. Der Kurs ist jetzt zu Ende. Wir haben alles gelernt, was wir wissen müssen.
Tanja spuckte ein paar Worte auf Russisch aus. Jesper Humlin fand, daß es wie ein Fluch klang. Dann waren sie weg. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe und die Haustür, die zuschlug. Leyla und Torsten kamen in den Flur hinaus. Leyla weinte.
- Wo sind die Journalisten?
- Sie sprechen mit deiner Mutter. Wir gehen jetzt.
- Wo wollt ihr hin? Heute abend geht kein Zug mehr nach Göteborg.
Leyla begann plötzlich, ihn zu schütteln. Sie sagte nichts.
- Ich will euch nur helfen, so gut ich kann. Leyla sah ihn an. Die Tränen sprudelten weiter.
- Nichts wolltest du. Überhaupt nichts.
Leyla und Torsten nahmen ihre Mäntel und verschwanden. Jesper Humlin war wie gelähmt. Es ist nicht mein Fehler, dachte er. Alle anderen haben unrecht. Ausnahmsweise habe ich das getan, was ich für das Richtige halte.
Er setzte sich auf einen Stuhl. Einer der Journalisten kam in den Flur und lächelte.
- Jesper Humlin. »Der Poet, dem Augen aufgingen«.
- Was meinen Sie damit?
- Daß Sie in Ihren Gedichten bisher kaum ein größeres Interesse für Ihre Umwelt gezeigt haben.
- Das ist nicht wahr.
- Natürlich ist es wahr. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde es nicht schreiben. Die Geschichte ist gut, so wie sie ist.
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