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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Zug nach Göteborg, sondern in einem Flugzeug, das ihn weit weg bringen würde. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Die Woche, die vergangen war, hatte ihn ausgelaugt. Gerade als er kurz davor war einzuschlafen, begann jemand in seiner Nähe laut in ein Handy zu sprechen. Das Gespräch schien sich auf unklare Weise um einen unbezahlten Bagger zu drehen. Jesper Humlin ließ alle Gedanken an ein Schlummerstündchen fahren und zog eine Abendzeitung zu sich heran. Noch immer verspürte er einen rasch abklingenden Angstschauer, wenn er eine Abendzeitung aufschlug. Noch bestand die Gefahr, daß ein Journalist sich für das interessieren könnte, was in Mölndal passiert war. Besonders wenn man bedachte, daß Jesper Humlin jetzt wegen des Buches, das er nicht schreiben würde, ein interessanter Name in der Öffentlichkeit war.
    Mißmutig stocherte er in dem Essen, das serviert wurde. Für den Rest der Reise saß er da und schaute hinaus auf die dunkelnde Landschaft. Der Boden unter den Füßen, dachte er. Ich bin mitten im Leben, mitten in der Welt, mitten im schwedischen Winter. Und mir fehlt ein fester Boden unter den Füßen.
    In Göteborg holte ihn Pelle Törnblom mit einem rostigen und verbeulten Kastenwagen ab. Kaum hatten sie das Bahnhofsgelände verlassen, blieben sie in einem Stau stecken.

- Sie sind schon da, sagte Pelle Törnblom zufrieden. Sie haben große Erwartungen.
    - Schon da? Aber ich bin doch erst in vier Stunden mit ihr und ihrem Bruder verabredet.
    - Sie sind seit heute morgen da. Es ist ein großer Augenblick für sie.
    Jesper Humlin warf einen mißtrauischen Blick auf den Mann hinterm Steuer. Meinte er es ernst oder war er sarkastisch?
    - Ich weiß wirklich nicht, was dieses Treffen bringen wird. Vielleicht kommt überhaupt nichts dabei heraus.
    - Das Wichtigste ist, daß du es machst. Einwanderer gelten in diesem Land als Opfer. Opfer der Umstände, der mangelnden Sprachkenntnisse, von fast allem, was man sich vorstellen kann. Mitunter betrachten sie sich auch selber als Opfer. Aber die allermeisten wollen tatsächlich als ganz gewöhnliche Menschen betrachtet und behandelt werden. Wenn du ihnen helfen kannst, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, hast du etwas Wichtiges geleistet.
    - Wen meinst du? Ich werde mit einem Mädchen namens Leyla sprechen. Mit sonst niemand.
    Die Autoschlange bewegte sich ein paar Meter vorwärts und blieb wieder stehen. Zugleich begann ein mit Schnee vermischter Regen zu fallen.
    - Es werden wohl ein paar mehr sein.
    - Wer denn alles? Wie viele?
    - Wir mußten ein paar zusätzliche Stühle aufstellen. Jesper Humlin legte die Hand auf den Türgriff und machte sich zur Flucht bereit.
    - Zusätzliche Stühle? Wovon redest du?
    - Es werden wohl so an die fünfzig.
    Jesper Humlin versuchte, die Tür aufzubekommen. Der Griff ging ab.
    - Was ist das für ein Auto?
    - Der Griff ist lose. Ich repariere das später.

- Was meinst du mit fünfzig Personen?
    - Leyla hat ein paar Freundinnen mitgebracht, die ebenfalls schreiben lernen wollen.
    - Wieso sprichst du dann von fünfzig Personen?
    - Ihre Familien kommen auch mit.
    - Wozu?
    - Es ist, wie ich bereits erklärt habe. Sie wachen über ihre Töchter. Ich finde im Ernst, du solltest dich darüber freuen, daß sie so interessiert sind.
    - Aber ich bin hergekommen, um mit einem Mädchen zu reden! Nicht mit mehreren, und schon gar nicht mit ihren Familien. Fahr mich zurück zum Bahnhof.
    Pelle Törnblom wandte ihm den Kopf zu.
    - Du wirst sehen, es wird alles gut. Wenn sie merken, daß du ein Mensch bist, dem man vertrauen kann, werden künftig weniger Leute kommen.
    - Es ist mir egal, wie viele kommen. Ich bin hier, um mit einem Mädchen zu reden. Fahr mich zurück zum Bahnhof.
    - Es kommt tatsächlich noch eine weitere Person.
    - Wer?
    - Ein Journalist.
    - Wie hat er davon erfahren?
    - Ich habe mit ihm gesprochen.
    - Der Teufel soll dich holen.
    - Du kannst dir ja vorstellen, was er schreiben wird, wenn du diese Mädchen im Stich läßt, die in unserer Gesellschaft ohnehin schon so arm dran sind.
    Jesper Humlin saß stumm da, den Türgriff in der Hand. Warum hört niemand auf das, was ich sage? dachte er. Warum kommen fünfzig Personen, wenn ich hier bin, um mit einem einzigen Menschen zu sprechen?
    Die Autoschlange kam wieder ins Rollen. Der Schneefall wurde dichter. Als sie in Stensgården und dem Boxklub eintrafen, hatte Jesper Humlin eigentlich nur Lust zu weinen.

Aber er folgte Pelle Törnblom in den voll

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