Tea-Bag
nächsten Herbst einen Kriminalroman herausbringen.
Schon des öfteren war Jesper Humlin über seinen Verleger Olof Lundin verstimmt gewesen. Aber in diesem Moment, völlig unvorbereitet von einem Journalisten in die Enge getrieben, begann er ihn zu hassen. Die einzige Idee für einen Kriminalroman, die ihm in den Sinn kam, war ein Autor, der seinen Verleger ermordete, indem er ihm Stapel von falschen Pressemitteilungen in den Rachen stopfte.
- Hallo?
- Ich höre.
- Möchten Sie, daß ich die Frage wiederhole?
- Nicht nötig. Es ist nur so, daß ich mich entschieden habe, bis auf weiteres keine Aussagen über mein nächstes Buch zu machen. Ich bin gerade in den Schreibprozeß eingetreten. Die Konzentration ist sehr anfällig für Störungen. So ähnlich, wie wenn man unwillkommene Gäste in sein Haus läßt.
- Das klingt ja sehr anspruchsvoll. Aber irgend etwas müssen Sie doch sagen können? Warum gibt der Verlag sonst eine Pressemitteilung heraus?
- Das kann ich nicht beantworten. Lassen Sie mich nur sagen, daß ich bereit bin, in ungefähr einem Monat über das Buch Auskunft zu geben.
- Sie könnten doch vielleicht erzählen, wovon es handeln soll?
Jesper Humlin überlegte fieberhaft.
- Ich kann nur so viel sagen, daß das Spannungsfeld in der Kulturkollision liegt.
- Das kann ich nicht schreiben. Niemand begreift, was gemeint ist.
- Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die sich begegnen und einander nicht verstehen. Ist das deutlicher?
- Es ist also jemand, der Einwanderer ermordet?
- Ich sage nicht mehr als das, was ich gesagt habe. Aber die Schlußfolgerung, die Sie ziehen, ist nicht zutreffend.
- Es sind also Einwanderer, die Schweden ermorden?
- Es kommen tatsächlich überhaupt keine Morde vor.
- Wie kann es dann ein Kriminalroman sein?
- Dazu werde ich mich äußern, wenn die Zeit reif ist.
- Wann ist sie das?
- In einem Monat.
- Haben Sie noch etwas zu sagen?
- Im Moment nicht.
- Dann möchte ich mich bedanken.
Jesper Humlin legte den Hörer auf.
Der Journalist war verstimmt gewesen. Er selbst war naßgeschwitzt und wütend. Er dachte, er sollte Olof Lundin schleunigst anrufen. Aber davon würde es nicht besser. Eine Pressemitteilung war an die Öffentlichkeit gelangt, und das war nicht ungeschehen zu machen. Der Kriminalroman, den er nicht schreiben würde, stellte jetzt eine literarische Neuigkeit dar.
Am selben Abend kam Andrea überraschend zu ihm nach Hause. Jesper Humlin, der nach dem niederschmetternden Gespräch mit dem Journalisten vor Erschöpfung auf dem Sofa eingenickt war, fuhr auf, als wäre er gerade dabei, etwas Unerlaubtes zu tun. Aber als er hörte, daß Andrea die Tür nicht zuknallte, atmete er auf. Das bedeutete, daß sie nicht sofort Streit suchen würde. Kam sie leise zur Wohnungstür herein, war sie guter Dinge.
Sie setzte sich neben ihn aufs Sofa und schloß die Augen.
- Ich fange an, griesgrämig zu werden, sagte sie. Ich werde allmählich wie ein altes Weib.
- Ich gebe dir sehr oft Anlaß zur Sorge. Aber das versuche ich zu ändern.
Andrea öffnete die Augen.
- Von wegen. Aber ich lerne vielleicht irgendwann, damit zu leben.
Sie kochten zusammen und tranken Wein, obwohl es ein Abend mitten in der Woche war. Geduldig hörte sich Jesper Humlin ihre verbitterten Ausfälle gegen das Chaos im schwedischen Gesundheitswesen an. Zugleich überlegte er, wie er ihr am geschicktesten erklären könnte, daß er das iranische Mädchen jetzt tatsächlich treffen würde. Aber noch mehr dachte er an das, was seine Mutter ihm am Abend zuvor gesagt hatte, daß sie und Andrea Vertraulichkeiten über ihr intimstes Privatleben austauschten. Plötzlich schien sie seine Gedanken zu lesen.
- Wie war es bei Märta?
- Wie gewöhnlich. Aber sie hatte Austern gekauft. Außerdem hat sie mir etwas erzählt, was ich nicht gern gehört habe.
- Wird sie dich enterben? Jesper Humlin erstarrte.
- Hat sie das behauptet?
- Nein.
- Warum sagst du das dann?
- Herrgott! Was war es, was du nicht gern gehört hast?
Jesper Humlin erkannte, daß der Augenblick nicht günstig war. Er hatte genau wie Andrea schon zu viel Wein getrunken. Es konnte leicht im Krach enden. Aber er war nicht imstande, sich zu beherrschen.
- Sie sagt, daß ihr über unser Sexualleben redet. Ihr zufolge hast du behauptet, wir würden nicht besonders oft miteinander schlafen.
- Das ist doch wahr.
- Mußt du mit ihr darüber reden?
- Warum nicht? Sie ist schließlich deine Mutter.
- Sie hat nichts mit
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