Tea-Bag
staunte.
- Er wäre gekränkt? Und was war gestern mit mir? Ich wurde nicht nur gekränkt. Ich wurde zusammengeschlagen.
- Er will dir ein Geschenk machen und sich mit dir versöhnen.
- Ich will keinen Rugbyball haben.
- Du kannst ihn entgegennehmen und ihn dann wegwerfen. Aber du mußt ihn treffen und seine Entschuldigung annehmen.
- Vielleicht schlägt er mich wieder zusammen.
- Du hast viele Vorurteile, Jesper Humlin. Du weißt nicht viel über dieses Land und die Menschen, die hier wohnen.
- Warum war er überhaupt da?
- Vielleicht hat er vor, eine von seinen Töchtern in den nächsten Kurs zu schicken.
- Nächster Kurs? Es gibt keinen nächsten Kurs.
Der Schmerz in der Wange wuchs, während Jesper Humlin redete. Für den Rest der Autofahrt blieb er stumm. Außerdem fiel es ihm schwer, etwas zu finden, um die Behauptung über seine Vorurteile zu widerlegen, da Pelle Törnblom vermutlich recht hatte. Sie trennten sich im Schneematsch am Flugplatz. Jesper Humlin hoffte, daß ihn niemand erkannte. Die geschwollene Wange war jetzt sowohl rot als auch blau.
Als er nach Hause kam, ging er direkt ins Schlafzimmer, zog die Gardinen vor und kroch ins Bett. Ein paar Stunden später wurde er vom Telefon geweckt. Er zögerte, ob er drangehen sollte. Beim siebten Klingelzeichen nahm er den Hörer ab. Es war Pelle Törnblom.
- Der Journalist hat sehr gut geschrieben.
- Nichts von der Schlägerei?
- Es war keine Schlägerei. Du hast einen Schlag abbekommen, den man als lupenreine Rechte charakterisieren könnte. Aber das hat er nicht erwähnt. Er spricht von einer »vorbildlichen Initiative eines bedeutenden Poeten«.
- Schreibt er das wirklich so?
- Wörtlich.
Jesper Humlin setzte sich im Bett auf.
- Was schreibt er noch?
- Daß andere Autoren sich ein Beispiel an deiner Initiative nehmen sollten. Warum Kriminalromane schreiben, wenn man sich in der Wirklichkeit engagieren kann?
- Steht das wirklich da?
- Ich zitierte direkt aus der Zeitung.
Zum ersten Mal seit vielen Tagen verspürte Jesper Humlin so etwas wie ein befreiendes Gefühl, wieder real geworden zu sein.
- Wenn du das nächste Mal kommst, will er ein Interview mit dir machen. Das Fernsehen hat auch schon angerufen.
- Welcher Kanal?
- Zwei verschiedene Kanäle.
- Ich rede gern mit ihnen.
- Ich sagte doch, daß du es anders betrachten wirst, wenn du dich erst wieder besser fühlst.
- Ich fühle mich nicht besser.
- Gib mir Bescheid, wenn du weißt, mit welchem Zug oder welcher Maschine du kommst, dann hole ich dich ab.
Jesper Humlin legte den Hörer auf und streckte sich zwischen den kühlen Laken aus. Auch wenn es ihm immer noch Kopfzerbrechen machte, wie er aus der Situation herauskommen sollte, die in Stensgården entstanden war, freute es ihn, daß man anfing, in ihm etwas anderes zu sehen als einen guten und respektierten, aber nicht besonders spannenden Poeten. Die größte Befriedigung lag in dem Gedanken daran, wie Olof Lundin und Viktor Leander reagieren würden. Olof Lundin würde vermutlich vor Wut darüber, daß einer seiner Autoren die unglaubliche Unverschämtheit besaß, seine Ratschläge zu mißachten, an seinem Gerät die Ruder abbrechen.
Jesper Humlin erinnerte sich an das einzige Mal, als er in der großen Paradewohnung des Verlegers zu Besuch gewesen war. Die Wände waren vollgehängt mit wertvoller Kunst. Spät in der Nacht, als Olof Lundin sich einen kräftigen Rausch angetrunken hatte, war er mit Jesper Humlin im ebenso schwankenden Schlepptau herumgetaumelt und hatte erzählt, welche seiner Autoren durch die Gewinne, die der Verlag mit ihren Büchern gemacht hatte, dies und jenes Bild bezahlt hätten. In einer Ecke des Flurs hing eine kleine
Aquarellminiatur eines weniger bekannten Westküstenmalers, und Olof Lundin hatte nicht ohne demonstratives Mißvergnügen festgestellt, das Geld dafür hätte Jesper Humlin tatsächlich für ihn zu erschreiben vermocht.
Jesper Humlin lag im Bett und weidete sich daran, daß er Olof Lundins Blutdruck jetzt in ungeahnte Höhen treiben würde. Aber zugleich ließ ihm die nagende Besorgnis keine Ruhe, daß Olof Lundin in der Verlagsbranche sehr viel Einfluß besaß und ihm viele Türen direkt vor der Nase zuknallen konnte.
Viktor Leanders Reaktion konnte er sich unschwer vorstellen, und die bereitete ihm nichts anderes als Befriedigung. Er würde nächtelang schlaflos daliegen und sich darüber grämen, daß Jesper Humlin auf eine Idee gekommen war, die sich auf Dauer als
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