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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte den Eindruck, das Mädchen, das an seinem Tisch saß, sei verwirrt.
    - Was machte dieser Affe noch, außer daß er auf deinem Rücken herumkletterte?
    - Er verschwand.
    - Das war alles?
    - Reicht das nicht?
    - Sicher. Aber ich möchte natürlich wissen, warum dieser Affe so wichtig ist?
    - Bist du dumm?
    Jesper Humlin sah sie forschend an. Ihr letzter Kommentar hatte ihm nicht gefallen. Keine kleine Negerin, selbst mit einem noch so schönen Lächeln, durfte es sich erlauben, in seiner Küche zu sitzen und zu behaupten, er sei dumm.
    - Weshalb bist du eigentlich hergekommen?
    - Ich will hier wohnen.
    - Das geht nicht. Ich weiß nicht, wer du bist, ich weiß nicht, was du tust. Ich kann hier nicht einfach so Leute einziehen lassen.
    - Ich bin ein Flüchtling.

- Ich hoffe, man hat dich gut aufgenommen.
    - Niemand weiß, daß ich hier bin. Jesper Humlin betrachtete sie schweigend.
    - Bist du illegal eingereist?
    Ohne zu antworten, stand sie auf und verließ eilig die Küche. Jesper Humlin horchte, ob die Wohnungstür zuschlagen würde, oder ob irgendwelche Geräusche erkennen ließen, daß sie auf die Toilette gegangen war. Aber alles blieb still. Viel zu still, dachte er und stand auf. Vielleicht war sie gerade dabei, etwas zu stehlen. Er ging hinaus ins Wohnzimmer. Leer. Die Tür zur Toilette stand einen Spalt offen. Er ging weiter ins Arbeitszimmer, ohne sie zu finden. Dann schob er die Tür zum Schlafzimmer auf.
    Jetzt hatte sie die Steppjacke ausgezogen. Sie lag auf dem Bett. Aber Tea-Bag hatte sich auch ihrer übrigen Kleider entledigt. Ihr Kopf war sehr schwarz auf dem weißen Kissen. Sie hatte sich auf Andreas Platz gelegt. Jesper Humlin wurde es ganz kalt. Wenn Andrea kam, würde keine Erklärung der Welt sie überzeugen können, daß er tatsächlich nichts dazu beigetragen hatte, daß ein vermutlich illegaler Flüchtling in seinem Bett lag. Auf ihrer Seite.
    Jesper Humlin sah die fetten Schlagzeilen vor sich. Erst hatte er einem Einwanderermädchen die Wange getätschelt und war zusammengeschlagen worden. Würde Tea-Bag jetzt zu schreien anfangen und behaupten, er habe sie in sein Bett gezwungen, würde die Journalistenmeute des ganzen Landes ihn jagen und in Stücke reißen. Er ging zu ihr hin. Sie lag mit geschlossenen Augen da.
    - Was soll das? Du kannst nicht einfach in meinem Bett liegen! Außerdem liegst du auf Andreas Seite. Was, meinst du, würde sie dazu sagen?
    Er bekam keine Antwort. Er wiederholte seine Frage und merkte, daß er ins Schwitzen geriet. Jederzeit könnte Andrea auftauchen. Ihre Arbeitszeiten änderten sich ständig. Er rüttelte

Tea-Bag an der Schulter. Keine Reaktion. Er fragte sich, wie es möglich war einzuschlafen, kaum daß man den Kopf aufs Kissen gelegt hatte. Aber sie spielte kein Theater, versuchte ihn nicht zu täuschen. Sie war wirklich eingeschlafen. Er schüttelte sie heftig. Irritiert, ohne richtig wach zu werden, holte sie mit dem Arm aus und traf ihn genau an der Wange, die ein Mann namens Haiman kurz zuvor mit seiner Faust besucht hatte.
    Das Telefon klingelte. Jesper Humlin zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag bekommen. Er stürzte ans Telefon. Es war Andrea.
    - Wieso bist du so außer Atem?
    - Ich bin nicht außer Atem. Wo bist du?
    - Ich wollte nur sagen, daß ich zu einer Lesung gehen.
    - Was für eine Lesung? Dauert sie lange?
    - Wieso fragst du, ob sie lange dauert?
    - Ich möchte natürlich wissen, wann du herkommst. Ob du zu mir kommst oder nach Hause gehst. Wie du weißt, sitze ich nicht gern allein hier rum.
    - Das weiß ich überhaupt nicht. Ich will mir eine Lesung von ein paar jungen Lyrikern anhören. Das solltest du auch tun. Ich hoffe, ein paar Anregungen für das Buch zu bekommen, das ich schreiben will.
    - Ich will nicht, daß du ein Buch über unser Privatleben schreibst.
    - Ich komme zu dir nach Hause, wenn es zu Ende ist.
    - Wann wird das sein?
    - Woher soll ich das wissen?
    Jesper Humlin merkte, daß sie mißtrauisch wurde.
    - Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen essen. Wenn ich weiß, wann du kommst, kann ich schon mal anfangen zu kochen.
    - Nicht vor neun.
    Jesper Humlin atmete auf. Das verschaffte ihm drei Stunden Zeit, das Mädchen aus der Wohnung zu bekommen. Es gefiel

ihm nicht, daß Andrea sich andere Gedichte anhörte als die, die er ihr vorlas. Aber in diesem Moment hatte ihn eine Schar von jungen Lyrikern gerettet, deren Gedichte sicher unbegreiflich waren, diesmal jedoch eine sehr praktische Funktion erfüllten.

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