Tea-Bag
gehetzter Arzt stürzte durch den Vorhang herein und musterte ihn. Er sprach gebrochenes Schwedisch. Auf dem Namensschild erahnte Jesper Humlin einen polnischen oder vielleicht russischen Namen.
- Die Röntgenbilder sehen gut aus, sagte der Arzt. Wie fühlen Sie sich?
- Ich habe Schmerzen.
- Sie nehmen ein paar Schmerztabletten. In ein paar Tagen ist es vorbei. Waren Sie betrunken?
- Fragen Sie, ob ich besoffen war?
- Das ist nicht unüblich, wenn man in eine Schlägerei gerät. - Ich danke für die unverschämten Unterstellungen. Ich war nicht betrunken. Ich wurde überfallen.
- Dann sollten Sie Anzeige bei der Polizei erstatten. Pelle Törnblom trat zusammen mit Amanda durch den Vorhang. Er hörte das letzte, was der Arzt sagte.
- Eine Anzeige ist überflüssig. Nur ein kleiner Familienstreit, der eskaliert ist.
Der Arzt verschwand. Jesper Humlin zwang sich in eine sitzende Stellung, mit dem Vorsatz, Pelle Törnblom ein für allemal
zu
erklären,
was
er
von
eskalierten Familienstreitigkeiten hielt. Aber die Schmerzen wurden so schlimm, daß er sich wieder hinlegen mußte.
- Was meinst du mit Familienstreit? flüsterte er.
- Draußen in Stensgården fühlen wir uns wie eine große Familie. Jedenfalls sollten wir das tun. Du bist jetzt kurz davor, aufgenommen zu werden.
Jesper Humlin zeigte auf den Vorhang.
- Sie sind gegangen. Sie lassen ausrichten, daß sie sich darauf freuen, dich wiederzusehen. Haiman ist sehr unglücklich. Er wird dir ein Geschenk machen, wenn ihr euch das nächste Mal seht.
- Das wird nie geschehen. Was für ein Geschenk?
- Er sagte etwas von einem Rugbyball.
- Ich will keinen Rugbyball haben. Ich hasse Rugby. Ich komme nie wieder hierher zurück.
Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. Etwas, das er vollständig vergessen hatte.
- Der Journalist? Du sagst, du hast mit einem Journalisten gesprochen. Hat er gesehen, was passiert ist?
- Er war ganz begeistert von dem Abend. Er wird positiv darüber berichten.
- Das einzige, was er schreiben wird, ist, daß ich zusammengeschlagen wurde. Das kommt in die Schlagzeilen auf Seite eins. Und der Kerl, der mich niedergeschlagen hat, wird behaupten, ich hätte seine Tochter oder Kusine, oder was sie nun ist, betatscht. Wie soll ich mich dagegen wehren? Ich bin vorab verurteilt.
- Er schreibt nicht darüber. Ich verspreche es dir. Er ist tatsächlich an dem interessiert, was ihr macht.
Zweifelnd sah Jesper Humlin Pelle Törnblom an, wagte aber schließlich doch zu glauben, daß er die Wahrheit sagte.
- Ich gehe jetzt. Amanda bleibt noch eine Weile. Ich bringe dich morgen früh zum Zug, dann können wir verabreden, wann du das nächste Mal kommst.
Jesper Humlin antwortete nicht. Ihm dämmerte, daß alles, was er zu Pelle Törnblom sagte, sofort in sein Gegenteil verkehrt wurde.
Pelle Törnblom verschwand. Amanda holte ihm ein Glas Wasser. Jesper Humlin bewunderte ihren schönen Hintern, wobei er zugleich an Tanja dachte, was seine Stimmung sofort hob. Das kleine, blutende Herz hatte ihn gerührt. Auch ihr Aussehen hatte ihn beeindruckt. Aber er blieb eisern. Er würde nicht zurückkehren. Die ganze Idee, ein paar Mädchen zu einem improvisierten Schreibkurs zu versammeln, war verfehlt. Oder er war die falsche Person, um ihn zu leiten. Zum ersten
Mal spielte er mit dem Gedanken, daß er vielleicht trotz allem versuchen sollte, einen Kriminalroman zu schreiben. Vielleicht war doch etwas an dem, was Olof Lundin in seinem Rudergerät gesagt hatte, daß er etwas Überraschendes zustande bringen könnte, was alle anderen konventionellen und vorhersehbaren Kriminalromane in die zweite Reihe verbannte.
Am Morgen fuhr ihn Pelle Törnblom nach Landvetter. Der Schmerz in der Wange war noch da, und sie war noch genauso geschwollen.
- Der Abend gestern war sehr interessant. Sie können es gar nicht erwarten, daß du wiederkommst.
- Ich komme nie wieder zurück.
- In ein paar Tagen wirst du einsehen, welches Abenteuer du das Privileg hattest zu erleben. Wann kommst du wieder?
- Am Mittwoch. Aber unter einer Voraussetzung, die nicht zur Debatte steht.
- Was für eine Voraussetzung?
- Daß jedes von den Mädchen nur einen Angehörigen mitbringt.
- Das wird schwierig.
- Dann komme ich nicht.
- Ich kann sie bitten, die Anzahl der Familienmitglieder zu reduzieren.
- Außerdem setze ich voraus, daß der Mann, der mich zusammengeschlagen hat, sich nicht blicken läßt.
- Das ist unmöglich. Sonst wäre er gekränkt. Jesper Humlin
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