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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Jesper Humlin beklommen, und er hatte ihn schon bei mehreren Gelegenheiten gefragt, warum er seine Klienten in einem Zimmer empfangen mußte, in dem die Gardinen vorgezogen waren und alles im Dunkel lag.
    - Das schafft eine ganz besondere Gemütlichkeit.
    - Ich finde, man fühlt sich wie in einem Keller.
    - Wenn man über Geld spricht, sollte man sehr gelassen sein und alle störenden Gedanken beiseite schieben.
    - Mein einziger Gedanke, wenn ich dich besuche, ist, daß ich so schnell wie möglich wieder verschwinden möchte.
    - Das ist ganz meine Absicht.
    - Wie bitte?
    - Meine Klienten sollen nicht länger bleiben als nötig.
    Anders Buren hatte das beachtliche Alter von vierundzwanzig Jahren, sah aber aus, als sei er fünfzehn. Er hatte eine erstaunliche Karriere in der Finanzwelt hinter sich, die schon auf dem Gymnasium begann, als er mit geborgtem Geld in der aufkeimenden IT-Branche ein paar glückliche Investitionen getätigt und seine erste Million eingeheimst hatte,

ehe er auch nur Abiturient war. Dann hatte er einige Jahre lang bei den größten Finanzmaklern im Lande gearbeitet, bevor er sich selbständig gemacht und sein dunkles Zimmer eingerichtet hatte. Jesper Humlin nahm auf dem unbequemen Holzstuhl Platz, den Anders Buren für eine astronomische Summe auf einer Auktion bei Bukowskis ersteigert hatte.
    - Ich möchte nur hören, wie es mit meinen Geschäften geht. - Es geht gut.
    - Obwohl an der Börse Unruhe herrscht?
    - Wer hat gesagt, daß an der Börse Unruhe herrscht?
    - Die Schlagzeilen in den Zeitungen schreien es doch heraus! In der letzten Woche ist der Index um 14 Prozent gefallen.
    - Das ist eine ausgezeichnete Entwicklung.
    - Wie kann das denn sein?
    - Kommt nur darauf an, unter welchem Aspekt man es betrachtet.
    - Ich kann es nur auf eine Art betrachten. Wie stehen meine Aktien?
    Jesper Humlin hatte sich vor ein paar Jahren, als er seine gesamten Ersparnisse in Höhe von 250000 Kronen investierte, dazu entschlossen, vorsichtig zu sein und den Rat seiner Mutter zu beherzigen, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Er hatte darauf bestanden, daß Buren, den ihm übrigens Viktor Leander empfohlen hatte, kleinere Posten aus vielen verschiedenen Unternehmen und Branchen kaufen sollte. Aber nach ungefähr einem Jahr hatte Buren ihn davon überzeugt, daß es jetzt günstig wäre, eine konzentrierte Einlage in der dramatisch expandierenden IT-Branche zu machen. Insbesondere hatte er ihn auf ein Unternehmen - White Vision - hingewiesen, das sogenannte »geklonte Akzesse« entwickelte, wobei Jesper Humlin allerdings noch immer nicht wußte, was das bedeutete. Das Unternehmen wurde jedoch von den Medien hochgejubelt, und die Gründerin, eine neuzehnjährige Studentin von der Chalmers Universität, galt als genialische Innovatorin, wobei

sie obendrein eine sehr schöne Frau mit einem für die Klatschpresse interessanten Privatleben war.
    Die Entwicklung war anfangs auch glänzend verlaufen. Die von Jesper Humlin investierten 250000 waren binnen weniger Monate auf den dreifachen Wert gestiegen. Jedesmal, wenn er vorgeschlagen hatte, zu verkaufen und den Gewinn zu realisieren, hatte Anders Buren ihn davon überzeugt, daß der Gipfel noch nicht erreicht sei. Jetzt schaute er gedankenvoll und unter konzentriertem Schweigen auf den Monitor. Jesper Humlin bekam allmählich Magenschmerzen.
    - Deine Aktien machen sich hervorragend.
    Jesper Humlin verspürte eine große Erleichterung. Während der letzten Wochen hatte er sich wegen der Börsenschwankungen ständig Sorgen gemacht und es nicht einmal gewagt, die Entwicklung in den Zeitungen zu verfolgen. - Sie steigen also weiter?
    Anders Buren warf noch einen Blick auf den Monitor.
    - Sie steigen nicht. Aber sie machen sich.
    - Jetzt klingst du, als würdest du von einer unruhigen Schulklasse reden. Als wir die Aktien kauften, standen sie bei 120 Kronen. Als wir uns zuletzt sprachen, waren sie nahezu 400 wert. Wie stehen sie heute?
    - Sie bewegen sich nur geringfügig.
    - Aufwärts oder abwärts?
    - Mal so, mal so. Manchmal eher aufwärts, manchmal eher abwärts.
    - Wie stehen sie im Moment?
    - Sie sind günstig und fair plaziert.
    - Kannst du mir nicht eine klare und einfache Antwort geben?
    - Ich gebe dir eine klare und einfache Antwort.
    - Wie stehen sie?
    - Bei 19,50.

Fassungslos starrte Jesper Humlin den Mann an, den er im Dunkel auf der anderen Seite des Schreibtischs erahnen konnte. Er sah es vor sich, wie seine finanziellen Mittel sich in rasender

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