Tea-Bag
nur vielleicht, ein Kriminalroman.
- Die Direktoren im Vorstand werden nicht erfreut sein.
- Ehrlich gesagt ist mir das vollkommen egal. Ich verstehe nicht, wie du so zynisch sein kannst.
- Ich bin nicht zynisch.
- Du betrachtest diese Mädchen mit Verachtung.
- Ich kenne sie nicht einmal. Wie könnte ich sie dann verachten?
Zwei Männer mit Leiter und Werkzeugen betraten den Raum. Olof Lundin ließ die Hände schwer auf den Schreibtisch fallen.
- Da du so hartnäckig bist, werde ich mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Ruf mich morgen an.
Jesper Humlin stand auf.
- Entweder wird es so, wie ich es sage. Oder es wird überhaupt nichts daraus.
Er verließ das Zimmer, folgte dem langen Korridor mit den weichen roten Teppichen und trat dann durch die offene Tür in das Zimmer ein, in dem ein älterer Mann saß, der Jan Sundström hieß und die Auslandsrechte des Verlags betreute. Eine von Jesper Humlins früheren Gedichtsammlungen war ins Norwegische und Finnische übersetzt worden. Danach hatte es
neun Jahre gedauert, bis wieder ein Buch von ihm ins Ausland ging, und zwar seltsamerweise nach Ägypten, wo es sich naturgemäß sehr schlecht verkaufte. Jan Sundström war ein ständig besorgter Mann, der es als persönlichen Sieg betrachtete, wenn es ihm gelang, eines der Bücher seiner Autoren auf dem ausländischen Markt zu plazieren.
- Norwegen hat ein gewisses Interesse gezeigt. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben.
Jesper Humlin setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch. Er hatte Respekt vor Jan Sundströms Urteil.
- Was, meinst du, würde geschehen, wenn ich ein Buch über Einwanderer schreiben würde? Einen Roman über ein paar junge Einwanderermädchen und ihre, wie ich finde, bemerkenswerten Geschichten?
- Das klingt nach einer fabelhaften Idee.
Jan Sundström stand auf und machte besorgt die Tür zu.
- Ich muß sagen, ich war verwundert, als ich hörte, daß du auch anfangen willst, Kriminalromane zu schreiben. Was geht eigentlich auf dem schwedischen Buchmarkt vor sich?
- Ich weiß es nicht. Aber ich werde keinen Kriminalroman schreiben.
- Wie kann das sein? Ich habe den ganzen Morgen in einer Besprechung gesessen, bei der wir den Vorschlag der Marketingabteilung für eine Werbekampagne geprüft haben. Sie rechnen bereits mit einem großen Verkauf ins Ausland. Aber ich finde, du hättest schon ein bißchen mehr über den Plot sagen sollen.
Verblüfft starrte Jesper Humlin ihn an.
- Was für einen Plot?
Jan Sundström kramte in dem Wust auf seinem Schreibtisch und reichte ihm ein Papier. Mit wachsendem Entsetzen las Jesper Humlin, was da geschrieben stand.
»Jesper Humlin, einer der bedeutendsten Poeten unserer Zeit, hat sich jetzt die Aufgabe gestellt, den Kriminalroman zu
verändern und ihm eine tiefere philosophische Bedeutung zu verleihen. Der Roman spielt hauptsächlich in Schweden, mit Ausflügen in ein kaltes, dunkles Helsinki und ein farbenfrohes, warmes Brasilien. Über die Handlung und ihren Verlauf soll hier nichts verraten werden. Aber man kann davon ausgehen, daß die Hauptperson deutliche Züge des Verfassers tragen wird…«
Jesper Humlin war so außer sich, daß er anfing zu zittern und dunkelrot anlief.
- Wer zum Teufel hat das geschrieben?
- Du.
- Ich? Wer hat das behauptet?
- Olof.
- Ich schlage ihn tot. Das habe ich nicht geschrieben. Ich bin fassungslos.
- Es war Olof, der den Text vorgelegt hat. Er sagte, er hätte ihn von dir am Handy vorgelesen bekommen, und es sei schwer zu verstehen gewesen, was du gesagt hast.
Jetzt war Jesper Humlin so wütend, daß es ihn nicht mehr auf dem Stuhl hielt. Er stürmte aus dem Zimmer, rannte durch den Korridor und riß die Tür zu Olof Lundins Büro auf. Bis auf die Männer, die gerade die streikende Entlüftungsanlage reparierten, war niemand da. Am Empfang bekam Jesper Humlin die Auskunft, Olof Lundin habe soeben den Verlag verlassen und werde erst am folgenden Tag zurückerwartet.
- Wo ist er?
- Auf einer Vorstandssitzung hinter verschlossenen Türen.
- Wo?
- Geheim. Ist es wichtig?
- Nein, erwiderte Jesper Humlin. Ich will ihn bloß totschlagen.
Am selben Abend hatte Jesper Humlin jene lange Unterredung mit Andrea, die in der letzten Zeit ständig aufgeschoben worden war. Noch immer war er aufgewühlt von
dem, was er im Verlag gelesen hatte. Er hatte jede Menge wütender Nachrichten auf Olof Lundins verschiedenen Anrufbeantwortern hinterlassen. Jetzt schob er in einem wahren Kraftakt die Gedanken an
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