Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
McCain bei jüngeren Frauen nicht sonderlich ankam. Deshalb suchte er nach einer Republikanerin, die den
soccer moms
, den klassischen Hausfrauen, gut gefallen und gleichzeitig Hillary Clinton Paroli bieten konnte. Brickley suchte auf Webseiten, aber die meisten Politikerinnen waren ihm nicht konservativ genug oder schienen ihm nicht mehrheitsfähig. Dann entdeckte er Palin: konservativ, christlich, hübsch – sie war in der Highschool Schönheitskönigin gewesen –, Mutter von fünf Kindern und strikt gegen Abtreibung. Er eröffnete das Blog palinforvp. blogspot. com und fing an, überdie Gouverneurin zu schreiben. Damit wurden auch andere auf sie aufmerksam. Einer der Ersten, die sie hier entdeckten, war Rush Limbaugh, der Palin prompt in seiner Radioshow pries. Das bescherte Brickleys Blog 3000 Leser am Tag, darunter auch Paulette Simpson von der Alaska Federation of Republican Women. Es war Simpson, die Palin riet, die Journalisten von der ›MS Oosterdam‹ einzuladen.
Palin empfing nicht nur die ›M S-Oosterdam ‹-Journalisten in der Gouverneursvilla, sondern vier Wochen später auch die Gäste eines zweiten Schiffes, der ›MS Noordam‹. Auf der Noordam reisten ebenfalls konservative Medienvertreter, aber auch John Bolton, George W. Bushs Botschafter bei den Vereinten Nationen (Bolton sagte einmal, vom Hochhaus der UN könne man ein paar Stockwerke absäbeln, ohne dass dies etwas ausmache), sowie Dick Morris, der abgefallene Demokrat, der über eine Affäre mit einer Prostituierten gestolpert war. Auch auf diese Gäste machte Palin einen starken Eindruck. Ein anwesender Historiker beschrieb sie gegenüber dem ›New Yorker‹ als »selbstbewusste Frau« mit einer »magnetischen Aura«. Ähnlich dachte Morris, der sofort auf die Idee kam, sie könne Vizepräsidentin werden, schon deshalb, weil er hoffte, Palin könne die verhasste Hillary besiegen. Morris riet Palin, ihr Image als Außenseiterin im politischen Establishment zu pflegen, das werde ihr Wählerstimmen bringen. Morris trat danach mehrere Male bei Fox News auf, um für Palin die Werbetrommel zu rühren. Noch mehr aber legte sich Kristol für sie ins Zeug, der Palin gleichfalls bei diesem Treffen im Juli kennengelernt hatte.
Bill Kristol ist der Sohn von Irving Kristol, dem »Paten der Neokonservativen«, der sich vom Trotzkisten zu einem der wichtigsten rechtskonservativen Intellektuellen Amerikas gewandelt hatte. Kristol sen. arbeitete für den Congress for Cultural Freedom, einen antikommunistischen Kulturverein, und war Mitglied im Council on Foreign Relations. Bill Kristol begann seine Karriere wie sein Vater als Demokrat, wurde dann Büroleiter von Dan Quayle, dem Vize von George Bush sen., und danach Vorsitzender von
Project for the New American Century
(PNAC), einem Think-Tank, der für eine starke amerikanische Führungsrolle in der Welt eintritt und schon unter Clinton den Krieg gegen den Irak propagierte. Während der Bush-Jahre galt Kristol als wichtiger konservativer Meinungsmacher. Und nun kämpfte er mit all seiner Kraft für Palin. Er warb auf Fox News so oft für die Gouverneurin von Alaska, dass es sogar den Moderatoren dort zu viel wurde. Und er setzte alles daran, John McCain von ihr zu überzeugen. Mit Palin, versicherte er dem Senator, werde er die Frauen gewinnen. Einer ihrer Söhne war Soldat im Irak, und sie hat ein Baby mit Down-Syndrom (das sie damals als Beweis für ihre Abtreibungsgegnerschaft überall mit sich herumschleppte). Auf Drängen von Kristol verbrachte McCain ein paar Stunden mit Palin, ohne allzu viele Erkundungen über sie einzuziehen, und ermunterte sie dann, seine Vizepräsidentin zu werden. Sie sagte zu.
Think-Tanks und Verschwörungstheoretiker
Der Council on Foreign Relations liegt in einer stillen Seitenstraße von Manhattans Upper East Side, nahe dem Central Park, nur wenige Schritte von den Wohntürmen der Park Avenue entfernt, wo die Gutsituierten und Einflussreichen leben. Das dreistöckige Haus mit seiner rötlich braunen Ziegelfassade weist auf unauffälligen Wohlstand hin, sieht man von den Stuckbrüstungen und Bögen aus hellem Sandstein ab, die den Eingang zieren. Gerne lädt der Council Journalisten zum Gespräch mit Experten und Politikern ein. So auch an diesem Herbstabend, wo sich eine Gruppe von Wissenschaftlern aus aller Welt vorstellt, in einem dunkel getäfelten, mit dicken Teppichen ausgelegten Saal, wo Hors d’œuvres und Weißwein serviert werden. Neben mir steht
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