Techno der Jaguare
aber dieser Raum war völlig nichtssagend. Sie suchte ihre Sachen zusammen und verließ das Schlafzimmer. Unwillkürlich lief sie wieder auf Zehenspitzen. In diesem riesigen Haus fühlte sie sich irgendwie fehl am Platz. Sie schlich in die Werkstatt, den Raum, der für sie am vertrautesten war. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Das große Atelier war von einem matten Licht erfüllt, das durch die Glaswand fiel. Die Schlange lag zusammengerollt in ihrem Terrarium. Der aus Büchern bestehende Hocker war umgefallen. In der Mitte des Raumes stand die Statue, für die sie Modell gesessen hatte. Lisa trat näher heran. Mit großen Augen fixierte sie diese Frau aus Ton, die präzise ihre eigenen Konturen widerspiegelte. Eine Schlange wand sich den Rücken hinauf bis über den Kopf, den sie wie ein Kranz umschloss; genauer, sie umschlang die Augen, nicht etwa den Hals. Ungläubig ging Lisa mehrmals um die Skulptur herum. Schließlich nahm sie ihre Kamera und schaltete sie ein. Ein Blitzlichtgewitter ging über die Figur nieder.
»Wer ist da in der Werkstatt?«, erklang es plötzlich wütend.
Lisa erstarrte.
»Wer ist da oben?« Schnelle, polternde Schritte kamen näher.
Lisa wich automatisch zurück, und Alexander riss die Tür auf.
»Wer ist da?«
Stumm starrte Lisa vor sich hin, sie bekam keinen Ton heraus.
»Lisa, bist du das?« Er hatte die Stimme ein wenig gesenkt, doch der Zorn war nicht zu überhören.
Dieser Mann hatte nichts mehr mit dem Liebhaber im Schlafzimmer gemein. Gerade wollte Lisa antworten, als sich der Bildhauer abrupt in ihre Richtung drehte und auf sie zusteuerte. Dann aber hielt er plötzlich inne, drehte sich rasch um und ging hinaus. Wie versteinert blieb Lisa zurück. Nun bereute sie es, unerlaubt in seine Werkstatt eingedrungen zu sein und auch noch Fotos geschossen zu haben. Sie wollte nur noch weg, und um Alexanders Zorn zu entgehen, war sie sogar bereit zu lügen. Mit zitternden Händen löschte sie alle Fotos von ihrer Kamera und schlich sich lautlos die Treppe hinunter. Obwohl ihr niemand begegnete, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Das Letzte, was sie wollte, war, Alexander zu verärgern; sie hatte Angst, ihn zu verlieren.
In ihrem Hotelzimmer nahm sie erst einmal eine Dusche. Langsam kam sie wieder zur Ruhe, sammelte all ihren Mut und rief Alexander an. Seine Stimme klang merkwürdig fremd.
»Störe ich dich?«, fragte sie zögernd.
»Nein, ich höre …«
»Du bist doch nicht böse auf mich?« Nervös nestelte sie an ihrem Bademantel.
»Worüber sollte ich denn böse sein?«
»Dass ich einfach gegangen bin und nicht auf dich gewartet habe«, erklärte Lisa.
Alexander holte tief Luft.
»Warum bist du gegangen?«
»Ich weiß nicht … Ich wollte zurück ins Hotel, ohne dich habe ich mich unwohl gefühlt in dem Haus … Ich wollte dich wiedersehen.« Es klang, als würde sie sich rechtfertigen.
»Warum hast du nicht auf mich gewartet?« Alexander blieb stur.
»Du bist also doch böse auf mich … Ich weiß nicht … Ich will dir nicht auf die Nerven gehen. Aber ich freue mich, dass du mich wiedersehen wolltest …« Lisa wurde ruhiger. »Wenn du willst, kann ich jetzt zu dir kommen. Soll ich?«
»Nein, ruh dich aus. Was hast du gemacht ohne mich? Bist du gleich gegangen?«, fragte er in monotonem Tonfall.
»Nichts, ich habe ein wenig gegessen. War alles sehr lecker …« Es entstand eine peinliche Stille.
Lisa beschlichen Zweifel, ob er sie nicht vielleicht doch in der Werkstatt bemerkt hatte, und sie wurde wieder nervös.
»Dann wurde mir langweilig, ich konnte nicht mehr schlafen …«, fuhr sie schuldbewusst fort. »Aber ich wollte dich nicht anrufen, weil du doch einen Termin hattest … Hätte ich wenigstens meinen Laptop dagehabt, dann hätte ich etwas arbeiten können, aber …« Sie versuchte, so überzeugend wie möglich zu wirken. »Ach ja, ich hab meinen Memory-Stick bei dir vergessen, da sind alle meine Sachen drauf …«, wechselte sie das Thema.
»Was?«, fragte er kühl.
»Meinen Stick. Da speichere ich immer meine Daten drauf. Meinem Laptop traue ich nämlich nicht mehr. Der ist einmal komplett abgestürzt, und dann war alles weg.« Lisa war froh, ein Thema gefunden zu haben, über das sie reden konnte. »Damals habe ich alle meine Artikel verloren. Bei denen, die schon veröffentlicht waren, war es ja nicht weiter schlimm, aber ich hatte auch noch ein paar neue drauf …« Alexanders beharrliches Schweigen brachte sie aus dem Konzept,
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