Techno der Jaguare
MELASCHWILI
KILLER’S JOB
Tamta Melaschwili, geboren 1979 in Ambrolauri, wuchs in Georgien auf und verbrachte ein Jahr als Migrantin in Deutschland, wo sie zu schreiben begann. 2008 beendete sie ihr Studium der Gender Studies an der Central European University in Budapest. 2010 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, Abzählen , der im gleichen Jahr mit dem nationalen Literaturpreis »Saba« für das beste Debüt des Jahres ausgezeichnet wurde. Der Roman erschien auf Deutsch im Schweizer Unionsverlag und war für die Hotlist 2012 – bester Roman eines unabhängigen Verlags in Deutschland – nominiert. Im selben Jahr verbrachte sie als Gast des Literarischen Colloquiums in Berlin einen Monat in Deutschland. Gegenwärtig lebt sie in Georgien und engagiert sich für Frauenrechte und Genderfragen.
Killer’s Job erzählt von einer starken, emanzipierten Frau mit einem sehr außergewöhnlichen Beruf. Die Protagonistin ist erfolgreiche Profikillerin, die an Professionalität und Kaltblütigkeit ihren männlichen Kollegen in nichts nachsteht. Geschrieben in der knappen Sprache eines 40er-Jahre-Krimis à la Raymond Chandler geht es in dieser Kurzgeschichte aber doch um mehr: Bei aller Kaltblütigkeit geht es hier auch um Moral und um Entscheidungen, die auch bei vertauschten Rollen immer noch von der althergebrachten Rollenverteilung einer Gesellschaft abhängig und nicht wirklich frei sind.
TAMTA MELASCHWILI
KILLER’S JOB
Ich bin Killer von Beruf. Ich weiß nicht, wie viele ich schon in die ewigen Jagdgründe geschickt habe; ich habe sie nie gezählt. Zählen mag ich nicht. Die Opfer? (Denkt nach.) Also, ich glaube nicht, dass sie meine Opfer sind; sie sind Opfer ihrer selbst oder vielleicht … ihrer Umgebung. Wissen Sie, hier kann man nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen: flachlegen oder flachgelegt werden. Ich habe keine Wahl. Ich habe etwas anderes: Ich bin unsichtbar. Das ist meine Stärke. Früher, in der Schule, habe ich in ›Zivilverteidigung‹ Pappkameraden in Gestalt ausländischer Kapitalisten erschossen, heute, als Profikiller, erschieße ich echte einheimische Kapitalisten. Das ist der Unterschied. Nein, ich träume nie von ihnen. Wissen Sie, solche Alpträume … (schaut auf ihre Hände) man sagt, die seien typisch für Leute meines Berufs, aber mir erscheinen sie nie im Traum. Ich weiß nicht, warum. Wahrscheinlich, weil ich kein Mitleid mit ihnen habe, jedenfalls denke ich nie an sie. Weiblich? (Zündet sich eine Zigarette an.) Meinen Sie mein Aussehen? Oder wie ich mich anziehe? Sie sind nicht der Erste, der mich so was fragt. Also, Sie können mich gern den weiblichen Meister nennen (lächelt). Gefällt Ihnen mein Kleid? Mir auch. Es hat das Leben eines Politikers gekostet; manchmal sind diese Marionetten ja doch etwas wert. Ja, das ist Biagiotti (fährt sich mit der Hand über den Kragen).
***
Treffpunkt war das Café an der Kreuzung, nicht weit von meinem Büro. Er kam etwas zu spät; ich hatte meinen Kaffee schon ausgetrunken.
»Taufe.« Er flüsterte das Kennwort.
»Ja, hier.« Ich lächelte ihn an.
Aus seinem Gesicht sprach Verlegenheit. Es war ein Gesicht ohne besondere Merkmale, eines, das man sich kaum einprägen konnte. Er war kahl, das Einzige an ihm, das auffiel – vielleicht noch, dass er einen langen dunklen Mantel trug. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich schwer darauf nieder. Ich konnte ihm die Gedanken vom Gesicht ablesen. Er war schließlich nicht der Erste. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich von jedem meiner Klienten. Der Ausdruck von Misstrauen.
»Haben Sie jemand anderes erwartet?«, fragte ich mit leicht ironischem Unterton. »So eine Art weiblichen Schwarzenegger?« Ich bin eher klein und schmal, nur eins fünfundsechzig.
»Entschuldigen Sie, gnädige Frau.« Ich hasse es, gnädige Frau genannt zu werden. »Das ist das erste Mal … wissen Sie, so eine Situation … Sie wurden mir empfohlen, und ich vertraue meinem … ich vertraue ihm wirklich …«
»Schon gut. Entspannen Sie sich. Sie sollten sich konzentrieren und mir ein paar Informationen geben, Sie wissen schon …«
»Natürlich, natürlich. Alle loben Sie in den höchsten Tönen. Es heißt, Sie sind eine der Besten, also …«
»Also brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen.« Ich lächelte. Trotzdem mochte ich ihn nicht.
Dann begann er zu reden, als wollte er sich rechtfertigen. So wie Männer eben reden.
Er wollte, dass ich seine Frau umbringe, Ex-Frau, um genau zu sein. Er
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