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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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hatte sich vor fünf Jahren von ihr scheiden lassen, nach nur einem Jahr Ehe. Er sagte, sie hätten einen Sohn. »So ein aufgeweckter kleiner Mann! Sieht seinem Vater so ähnlich, und dieses Miststück nimmt ihn mir weg; sie erlaubt mir nicht mal, ihn zu sehen.«
    ›Miststück‹, na klar.
    »Ich habe wieder geheiratet, aber dieses Kind soll mal mein Erbe sein, verstehen Sie? Mein Fleisch und Blut! Er soll meinen Namen tragen, nicht den dieser Hure!« Er war wütend und verschwitzt.
    Ja, sie brauchen jemanden, dem sie ihr verdammtes, dreckiges Geld vererben können. Ich wette, er ist nicht vor Gericht gegangen, denn auch der bestechlichste Richter hätte ihm nicht garantieren können, dass er das alleinige Sorgerecht für seinen Sohn bekommt.
    »Ja, und ich habe auch so etwas wie ein Alibi«, sagte er. »Niemand wird mich verdächtigen. Sie hat genügend Feinde. Scheiß Emanze! Sie hat einen eigenen Kosmetikladen, wie die Frau des Premierministers. Konkurrenz unter Frauen …« Spöttisch verzog er das Gesicht.
    Ich fing an, ihn zu hassen.
    »Sie hat niemanden außer meinem Sohn, darum können die bei Gericht gar nicht anders entscheiden. Ich werde meinen Sohn schon bekommen!«
    Er gab mir alle nötigen Infos über die Frau. Dann bot er mir eine Summe an; die klang gut, sogar besser als gut, ein ganz schön dicker Fisch. Ich nahm an.
    »Es ist besser, wenn Sie zuerst hinausgehen«, sagte ich.
    Als ich ging, stand er noch an der Ecke, vielleicht wartete er auf seinen Fahrer. Er sprach mit jemandem am Handy. »Mann, das ist vielleicht eine komische Frau, aber eigentlich ganz hübsch, trotz ihrer Hakennase.« Er lachte.
    Er sah mich nicht, als ich an ihm vorbeiging.
    Bastard!
    ***
    Am nächsten Tag grub ich alles über seine Frau aus: Alter, Einkommen, Adressen, Freundeskreis, sogar in welche Clubs sie ging. Ich beschloss, sie eine Weile zu beschatten, wie ich es immer mache. Nach einiger Zeit, als ich in meinem Pressebüro saß und meine normale Arbeit machte, merkte ich, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte.
    »Ich weiß nicht, wohin mit diesen Papieren!« Seit über einer Stunde sortierte Nina Akten; das heißt, sie versuchte, sie zu sortieren. »Es ist unmöglich, dieses Zeug zu ordnen. Aber wenn ich ihm sage, dass das nicht geht, kann ich ihn gleich um meine Entlassung bitten …« Ihre Stimme zitterte.
    »Nina, machen Sie Kaffee!«, hörte man ihn, den Chef, aus seinem Büro schreien.
    »Mach du weiter mit dem Sortieren, ich mache ihm seinen Kaffee«, sagte ich. Mit dem rechten Fuß suchte ich meine hochhackigen Schuhe unter dem Schreibtisch hervor. Als ich den Kaffee aufbrühte, wurde mir plötzlich klar, was mit mir los war. Ich konnte es kaum glauben: Ich hatte in der vergangenen Nacht tatsächlich von ihr geträumt! Aber was? Ich konnte mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber ich musste die ganze Zeit an sie denken.
    Ich hatte noch nie zuvor eine Frau umgebracht.
    ***
    Schon mit vier wurde ich ›Bastard‹ genannt. Ich hatte aus Versehen eine Kristallvase meiner Kindergartentante zerbrochen – die Vase war ihr persönliches Eigentum, das Geschenk eines Kommunalbeamten.
    »Oh nein, du kleiner Bastard!« Sie brach in Tränen aus.
    »Mama, was ist ein Bastard?«, fragte ich meine Mutter, als ich nach Hause kam. Ich sah, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Sie erzählte immer, dass mein Vater tot sei, dass er im Krieg gefallen sei. Irgendwo in Afghanistan.
    »Das ist aus Afghanistan«, sagt Viktor genüsslich und mit leichtem Stolz in der Stimme. »Komm, wir machen mal Pause von unserer Alltagsroutine.« Sorgfältig mischt er den Schwarzen Afghanen in den Tabak. Ab und zu kifften wir, um unsere Alltagsroutine zu vergessen, wie Viktor gern sagte. Er ist Buchhalter.
    »Ich habe ein Geschenk für dich.« Er lächelt.
    »Aus Afghanistan?« Ich lächele zurück.
    »Ja, aus Afghanistan«, sagt er.
    ›Afghanistan‹ – nur dann erinnere ich mich an ihn, meinen Vater.
    ***
    Das erste Mal sah ich sie, als sie ihren Sohn von der Schule abholte, ein süßer kleiner Kerl, der mehr nach ihr kam als nach seinem Vater. Der Junge ging an ihrer Hand und erzählte ihr fröhlich etwas. Sie sah müde aus, aber trotzdem hörte sie ihm zu. Sie war eine große, gut aussehende Frau mit blond gefärbtem Haar. Sie stiegen ins Auto und fuhren los. Eigentlich wollte ich ihr folgen, aber dann änderte ich meine Absicht. Stattdessen ging ich nach Hause und schlief wie eine Tote, bis Vera mich weckte. Das ist meine Nachbarin.

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